Gefaehrlich sexy
ihm diese Dinge jemals zu verzeihen. Denn das hieße, dass es für mich okay ist, dass ich seinetwegen derart am Boden zerstört war. Und ich weiß nicht, ob es je für mich okay sein wird.«
Sie beugt sich zu mir über den Tisch und drückt meine Hand. »Da bin ich mir nicht so sicher, Dahlia. Ich denke, wenn du dich einfach noch mal ruhig mit ihm zusammensetzen und ihm richtig zuhören würdest, könntest du versuchen zu verstehen, weswegen er damals verschwunden ist. Er wollte dich beschützen – und sobald du das verstehen kannst, kannst du ihm sicher auch verzeihen.«
»Es tut mir leid, aber ich habe endgültig die Nase davon voll, dass jeder mich beschützen will. Und was war das vor allem für ein Schutz, wenn er mir derart weh getan hat und mich derart leiden ließ? Grace, natürlich bin ich froh, dass er noch lebt. Aber ich kann ihm einfach nicht verzeihen, dass er mir vorgegaukelt hat, gestorben zu sein.«
Grace reagiert dramatischer, als ich erwartet hätte. »Dahlia, du musst einfach diese Mauer einreißen, die du zwischen euch errichtet hast, und ihm verzeihen. Er hat schließlich sehr viel für dich aufgegeben. Erst das Surfen und am Schluss sogar sein Leben.«
Während ich sie noch entgeistert anstarre und mich bemühe zu verstehen, in welche Richtung diese Unterhaltung geht, bringt der Ober unsere Getränke, und da wir bisher noch keine Zeit gefunden haben, uns die Speisekarte anzusehen, bestellen wir beide kurzerhand einen Salat. Dann nehme ich einen großen Schluck aus meinem Glas und bereite mich innerlich darauf vor, Grace die Dinge zu sagen, die sie offenbar nicht hören will.
»Das, was er getan hat und weshalb er es getan hat, ändert nichts daran, dass wir nach seinem Tod vollkommen fertig waren. Jeder von uns hat auf seine eigene Art um ihn getrauert und gelitten, weil er eine große Lücke hinterlassen hat. Aber er hat selbst entschieden abzuhauen, er hat selbst entschieden, dass er die Beweise gegen diese Organisation sammeln und behalten will. Begreif es doch – er hätte eine Wahl gehabt. Vielleicht kannst du ihm sein Verhalten ja verzeihen. Das wäre vollkommen in Ordnung, aber es heißt nicht, dass ich genauso in der Lage dazu bin.«
Sie reibt sich die Hände und erklärt mit rauer Stimme: »All das ist mir klar, aber manchmal sind Entscheidungen nicht einfach, Dahlia. Ben hat ebenfalls gelitten. Und er leidet immer noch.«
Das emotionale Chaos, dem ich in den letzten Tagen ausgeliefert war, wird mir mit einem Mal zu viel. Deshalb erkläre ich ihr schrill: »All dieses Gerede davon, dass ich in Gefahr war, dass er mich beschützen wollte und deshalb verschwunden ist – das ist doch alles vollkommener Wahnsinn, Grace.«
Als unsere Salate kommen, schieben wir die Blätter lustlos auf den Tellern hin und her.
Dann lässt Grace plötzlich ihre Gabel fallen und fleht: »Bitte verzeih ihm, Dahlia. Mir zuliebe. Er muss sich ein völlig neues Leben aufbauen, und er will, dass du ein Teil von diesem Leben bist.«
Jetzt habe ich endgültig genug. »Du nimmst doch wohl nicht ernsthaft an, dass ich je wieder zu ihm zurückgehen würde?«
»Oh nein, das denke ich ganz sicher nicht. Und ich würde dich auch niemals darum bitten, das zu tun. Denn ich weiß, dass du mit River glücklich bist. Hör dir bitte einfach an, was er zu sagen hat. Denn er braucht es, dass du ihm verzeihst, damit er einen Schlussstrich unter die traurigen letzten Jahre ziehen und wieder nach vorne blicken kann. Und Dahlia, bevor ihr zwei zusammen gewesen seid, wart ihr ewig Freunde. Könnt ihr das nicht wieder werden?«
Ich verneine stumm. »Er braucht es also, dass ich ihm verzeihe. Und was ist mit mir? Interessiert sich vielleicht irgendwer dafür, was ich brauche? Und wie es mir in all der Zeit gegangen ist?«
Sie starrt mich lange an, bevor sie plötzlich aufsteht und sich vor mich hockt. Dann nimmt sie zaghaft meine Hände und öffnet den Mund, doch die leise, schmerzerfüllte Stimme, mit der sie spricht, ist mir vollkommen fremd. »Dahlia, du weißt, dass du für mich wie eine zweite Tochter bist. Und ich habe einfach das Gefühl, dass du als meine Tochter innehalten und dir überlegen solltest, was du tust. Du musst dich dieser Sache stellen. Denn nicht nur du, sondern auch er hat sehr viel durchgemacht. Ich denke, ein Gespräch mit ihm würde dir dabei helfen, deinen Zorn zu überwinden und vielleicht sogar die alte Freundschaft zu ihm wiederaufzubauen.«
Ich springe auf, werfe meine Serviette auf
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