Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
würde mich erkennen.
Plötzlich ertönt ein grauenhaftes Poltern und ich fahre erschrocken zur Tür herum, die sich in dem Moment öffnet. Mathis kehrt zurück. In seiner Rechten hält er weiße Zügel, an denen er Blacky führt.
„Du bist wahnsinnig, oder?“, kreische ich und weiche zurück. „Läuft das Vieh öfter hier im Schloss herum?“
Schnaubend folgt Blacky Mathis zu der grünen Pappe, die sich über eine unter der Decke angebrachte Rolle bis weit in den Raum zieht.
„Brav, Blacky, brav“, lobt Mathis und gibt dem Pferd eine Karotte.
Das Tier beruhigt sich. Es sieht aus, als stünde es auf einer Weide.
„Komm‘ her, Jade“, winkt Mathis mir zu.
„Nein“, sage ich. „Im Leben nicht.“
Keine drei Minuten später sitze ich auf Blacky, die Beine angewinkelt, die Arme um seinen kräftigen Hals geschlungen, das Gesicht leicht gegen das weiche und doch ein wenig stechende Fell gelehnt.
Mathis klettert auf die Holzleiter, mit deren Hilfe ich auf das Tier geklettert bin, und befestigt ein Paar überdimensionierte, weiße Flügel auf meinem Rücken. Obwohl sie aus Federn bestehen, wiegen die Dinger mindestens fünf Kilo das Stück.
„Bleib‘ so“, murmelt Mathis, packt die Leiter weg und schnappt sich die Fotokamera. Vollkommen verschwitzt und mit verstrubbelten Haaren wirbelt er durch das Studio, positioniert Scheinwerfer und Schirme und schießt Tausende von Fotos. Immer wieder arrangiert er die Scheinwerfer um, steht vor mir und dem Pferd, kniet sich, legt sich unter Blacky, wechselt dauernd den Ort.
Blacky und ich halten die ganze Zeit über still. Zwischendurch bekommt das Pferd eine Karotte. Ich gehe leer aus, obwohl mein Körper inzwischen steif ist, weil ich mich nicht rühren darf.
„Sieh zu mir, Jade“, ruft Mathis plötzlich, obwohl ich die ganze Zeit über mit den Augen der Kamera gefolgt war. Ganz so, wie der große Künstler es von mir verlangt hat. „Sieh in meine Augen, Jade. Nicht lächeln.“
Ich schlucke das verräterische Lächeln hinunter und konzentriere mich auf meinen schmerzenden, vollkommen verdrehten Körper, an dem auch noch diese verdammten Flügel zerren.
Plötzlich sagt Mathis: „Fertig.“ Er legt die Kamera weg und stellt einen Eimer mit Wasser vor Blacky. Dann sieht er fröhlich zu mir auf. „Du darfst dich rühren, Jade.“
Ich blinzele mit den Augen. Mehr Bewegung ist nicht drin. Wie angewachsen hänge ich auf dem Rücken des Gauls. „Nimm in Gottes Namen endlich die Flügel von meinem Rücken“, stöhne ich.
Er holt die Leiter und befreit mich von der Folter. Die Flügel fallen zu Boden und sanfte Hände streicheln über die Stellen an denen er sie auf wundersame Weise befestigt hatte.
Mein Räuspern hallt durch die Stille des Ateliers, die nur von Blackys Saufgeräuschen unterbrochen wird.
„Ich habe eine Idee“, kommt es plötzlich über meine Lippen, ohne dass ich meinem Gehirn dazu den Befehl gegeben habe. „Hast du einen Selbstauslöser?“
„Sicher“, raunt Mathis hinter mir.
„Dann bau‘ die Kamera auf und komm zu mir auf das Pferd.“
Mathis‘ Hände verlassen meinen Rücken. Kurz darauf höre ich, wie er die Holzleiter zusammenklappt und wegstellt.
„Ich hätte gern ein Erinnerungsfoto“, höre ich mich laut und deutlich sagen, „ein Foto von dir und mir auf Blacky. Du sitzt hinter mir und umschlingst mich mit deinen Armen. Er hält doch zwei Personen aus, oder?“
„Er hält es aus“, antwortet Mathis rau.
„Und?“, frage ich. „Machst du es?“
***
Er kann es kaum fassen und überlegt es sich dreimal, ob er auf ihr Angebot eingeht. Aber was denkt er überhaupt nach? Das ist es doch, was er will, seit er sie zuerst gesehen hat. Na ja, vielleicht nicht gerade auf dem Rücken eines Pferdes. Er klappt die Leiter zusammen und stellt sie hinter das Utensilienregal. Dann holt er das Stativ hervor und klemmt die Kamera darauf fest. Es ist eine Digitalkamera, für die er eine winzige Fernbedienung besitzt, die er leicht in einer Hand verstecken kann.
Die ganze Zeit über spürt er ihre Augen auf seinem Rücken, seiner Brust, seinen Armen, seinen Händen. Sie liegt immer noch auf Blacky, genau so wie er es sie vor der Fotosession geheißen hatte. Von dort aus verfolgt sie ihn mit den Augen. Nur diese Augen bewegen sich, während ihr Körper in einer beinahe unheimlichen Ruhe auf dem Pferd liegt. Er will diese Augen ignorieren, doch stattdessen versinkt er in ihnen.
Auch er hat jetzt eine Idee von einem Bild.
Er
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