Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
zumindest ich berge in mir keine lukrativen Geheimnisse. Was ist mit dir, Mama?“
Sie tippt sich an die Stirn und kommandiert: „Auf drei. Eins, zwei, drei.“ Und dann hämmern wir wie zwei Verrückte mit den Fäusten gegen die Eichentür und brüllen uns die Seele aus dem Leib. Wir schreien Hilfe und Lasst uns hier raus, ihr Penner! Mit jedem Satz sinkt das Niveau unseres Geschreis tiefer. Aber da draußen rührt sich nichts.
„Ich habe das Gefühl, dass jeder Ton von uns sofort in dieser Tür versackt“, keucht Mama , nachdem wir uns eine ganze Weile an der Tür vergriffen haben. Entnervt lässt sie sich mit dem Rücken gegen das massive Holz fallen und sinkt auf den Boden.
„Vielleicht gibt es hier irgendwo eine Geheimtür“, mutmaße ich und taste mit den Händen Stück für Stück die Wände ab. „Unsere beiden Zimmer und die Bäder sehen aus, als befänden sie sich in einem sehr alten Gemäuer. In sehr alten Gemäuern gibt es manchmal Geheimgänge.“
„Viel Glück“, wünscht Mama und verschränkt die Arme vor der Brust.
„Hast du etwa schon …?“
„Was denkst du denn? Natürlich, gleich nachdem ich aufgewacht bin.“
Natürlich. Wie konnte ich das Gegenteil annehmen? Ich muss vielmehr davon ausgehen, dass meine Mutter bereits sämtliche Fluchtmöglichkeiten in Gedanken durchgespielt hat. Meine Arme sinken hinab. Wenn Mutter schon gesucht hat, dann gibt es hier nicht mal ein Mauseloch, durch das wir fliehen könnten. Ich pflanze mich mit meinem roten Sportdress auf das Sofa, lege die Füße auf die Lehne und bewundere den weißen Verband. Er ist fachmännisch angelegt. „Vielleicht sind unsere Entführer Ärzte, auf der Suche nach gesunden Organen.“
Mutter tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn und erklärt, was mir im Grunde klar ist: „Die Entführung wird etwas damit zu tun haben, dass wir beobachtet haben, wie dieser Kerl in die Wohnung des Scheichs eingebrochen ist. Ganz so wie der Kommissar vermutet, und weshalb wir unsere Handys immer schön aufgeladen bei uns tragen sollten.“
„Also geht es um Kunstraub.“
„Das liegt nahe.“ Mama hockt immer noch auf dem Boden vor der Tür und sie macht auch nicht den Eindruck, als wollte sie sich jemals von dort fortbewegen. „Die Frage ist: Was hat der Typ mitgehen lassen?“
„ Du glaubst, dass der Einbrecher nichts mit unserer Entführung zu tun hat? Dass jemand glaubt, wir wüssten, wer der Typ ist und wo er steckt?“
„ Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aber das könnte durchaus sein. Warum sollte der Einbrecher uns sonst entführen?“ Mutter betrachtet mich mit einem Ausdruck der Bewunderung.
„ Aber wir wissen nichts.“
„Das wissen die doch nicht . Allerdings hätten sie uns auch im Hotel ausquetschen können. Diese Entführung ist vollkommen überflüssig, wenn du mich fragst. Ich sehe nicht den geringsten Sinn darin.“ Mit unbewegter Miene sieht sie mich an. Dann murmelt sie plötzlich: „Wenn ich wenigstens meinen Computer dabei hätte. Ich glaube, meine Schreibblockade hat sich aufgelöst Aber hier gibt es nicht mal einen kleinen Block, auf dem ich meine Ideen notieren könnte, keinen Kuli, keinen Augenbrauenstift, keinen jadegrünen Kajalstift. Nur Klopapier.“
Ich starre die Frau entgeistert an. Als wenn wir keine anderen Sorgen hätten als ihre verdammte Schreibblockade, durch die wir erst in diese Situation geraten sind. Und Witze reißt sie auch noch. Ich muss was tun, sonst werde ich noch verrückt.
Als ich mich auf die Socken mache, um die Kotzschüssel im Bad zu entsorgen, da es im Zimmer langsam zu müffeln beginnt, zischt sie plötzlich: „Hörst du das?“
Ich halte den Atem an und lausche in die Stille hinein. Als ich, außer dem Pochen meines Herzens, rein gar nichts höre, gehe ich zu der Tür, wo Mutter noch immer sitzt und presse ein Ohr dagegen. Jetzt höre ich es auch.
„Es surrt.“ Mama springt vom Boden auf. Ihre Augen sind weit aufgerissen. Wie verrückt zieht sie an meinem T-Shirt. „Guck dir das an. Guck, guck!“, ruft sie aufgeregt, zupft an meinem T-Shirt und wedelt mit einem Arm.
Ein wenig begriffsstutzig versuche ich festzustellen, in welche Richtung sie wedelt. Und dann rennen wir beide gleichzeitig in ihr Zimmer, wo an der Wand zwischen zwei Fenstern eine Leinwand runterfährt.
„Da oben ist der Beamer“, hechelt sie und zeigt an die Decke, über ihrem Himmelbett.
Die Leinwand leuchtet blau auf und einen Moment darauf erscheint ein Video von einem
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