Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
wartet. Er trägt ebenfalls Winterkleidung, doch so dick eingemummt wie wir ist er lange nicht. Lediglich die feine, wollene Jacke, die Newspaperboy-Mütze und der seidig schimmernde Schal sind ein Hinweis darauf, dass er das Haus verlassen will. Kurze Zeit später wissen wir warum.
Vor dem Haus steht ein Pferdegespann. Vier prächtige, frisch gestriegelte Zossen ziehen einen wunderschönen Schlitten hinter sich her , der, wie das Schloss, aus einem längst vergangenen Jahrhundert zu stammen scheint, und perfekt in diese flauschig-weiße Winterlandschaft passt.
„Gott, ist das schön!“ , jauchzt Mutter. Sie schlägt sich mit der Hand vor den Mund. „Dass es so etwas heutzutage noch gibt! Nein, wie gnadenlos schön! Das nenne ich Weihnachtsstimmung.“
Ich schüttele den Kopf. Von diesem Affentheater werde ich mich nicht beeindrucken lassen. „Wie lange veranschlagt ihr denn für diese Biographie, Mutter?“
„Ach, Jade“, stöhnt sie. „Jetzt genieß‘ doch erstmal den schönen Tag.“
„Wie lange?“
„Lass‘ mich erstmal anfangen. Dann sehen wir weiter.“
Wütend stapfe ich mit einem Fuß auf. „Ich will nicht in Gefangenschaft leben!“
„Wer will das schon?“, brummt Antoine freundlich. „ Betrachte dich als meinen Gast.“
Bevor ich auch nur ein Wort darauf entgegnen kann, und ich habe eine ganze Reihe von Worten und sogar ganzen Sätzen dazu zu sagen, ist Antoine aus meinem Gesichtsfeld verschwunden und Mathis verkündet: „Alle Mann einsteigen!“
Mathis ist ähnlich gekleidet wie sein Onkel, sieht noch hochherrschaftlicher aus, weil ihm die Schirmmütze noch besser steht und reicht meiner Mutter eine Hand. Sie klettert lächelnd auf den Beifahrersitz, oder wie man das bei einer Kutsche nennt. Antoine sitzt ebenfalls vorn. Das bedeutet, dass ich hinten sitzen muss, neben Mathis.
„Willst d u nicht lieber zu mir, Mutter?“, frage ich giftig. Noch bin ich nicht in den verdammten Schlitten gestiegen. Doch das ändert sich, bevor Mutter sich zu meiner Frage äußern kann, denn Mathis packt meine Hüften und hebt mich einfach auf meinen Platz. Als ich mindestens einen Meter über dem Erdboden, auf einem offensichtlich elektrisch beheizten, weichen Fell sitze, pflanzt er sich neben mich und zieht eine Art Abdeckplane über meine Beine. Anschließend zieht er hinter mir ein flauschiges Fell hoch, das mir Rücken und Nacken wärmt. Bei der Verpackung hätten Mutter und ich das Haus auch im Cocktailkleid verlassen können.
„Ho-ho-ho“, brüllt Antoine wie der Weihnachtsmann. Mutter kichert, Mathis verdreht die Augen und die vier Gäule, die ich namentlich kenne, setzen sich widerwillig in Bewegung.
„Verwöhnte Biester“, grinst Antoine, woraufhin Mutter schon wieder kichert. Wenn ich nicht wüsste, dass sie den Männern abgeschworen hat, beziehungsweise, wenn sie mir das nicht dauernd erzählen würde, wenn sie denn mal redet, könnte ich auf den Gedanken kommen, sie würde mit dem alten Verbrecher flirten. Oh. Mann. Ich will gar nicht wissen, ob da was dran ist.
Die Pferde fallen in einen leichten Trab, der Schlitten rumpelt über den Schnee und mir ist so verdammt heiß. Das wird vermutlich die erste Schlittenfahrt in der Menschheitsgeschichte, bei der sich ein Mensch zu Tode schwitzt. Und dieser Mensch bin ich. Als erstes ziehe ich meine Füße aus den Moonboots. Dann reiße ich mir den Schal vom Hals. Und noch bevor wir das romantisch in der verschneiten Gegend herumstehende Schloss umrundet haben, sitze ich in der Thermo-Unterwäsche neben Mathis, den das hier alles überhaupt nicht zu interessieren scheint. Die ganze Zeit drückt er auf dem iPhone herum, das ich ihm in einem geeigneten Moment aus der Hand reißen werde. Das schwöre ich!
„Wohin geht die Fahrt?“ Meiner Stimme ist deutlich zu entnehmen, was für eine miese Laune ich habe.
„Sie schwitzt“, sagt meine Mutter in entschuldigendem Ton zu Antoine . Dazu verdreht sie ihre Augen.
„Das ist unangenehm“, nickt Antoine. Er dreht mir sein Gesicht zu und fragt freundlich, ob er die Heizung ein wenig runterregeln soll.
Ich kann mir selbst vorstellen, wie dämlich ich bei seiner Bemerkung aus der Wäsche gucke. Seines herzhaften Lachens hätte es wirklich nicht bedurft. Merkwürdigerweise fährt Mathis ihm über den Mund: „Verarsch‘ sie nicht.“ Zu mir gewandt, erklärt er: „Das sind Heizdecken. Wenn es dir zu warm ist, nimmst du einfach den kleinen Regler zu deiner Rechten und stellst die Temperatur
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