Gefaehrliche Begegnungen
können dich nicht sehen. Du kannst gehen wann immer du möchtest. Sie öffnete die Tür – die aus irgendeinem Grund nicht verschlossen war – und trat ein.
Der Eingangsbereich war leer, aber sie konnte Stimmen aus dem Wohnzimmer hören. Mias Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie sich langsam der Versammlung näherte. Der dicke Pulli um sie herum fühlte sich an wie ein Schmusetuch und gab ihr den nötigen Mut, weiter voran zu gehen.
Sie betrat den Raum auf Zehenspitzen und blieb gleich hinter der Tür stehen, da sie darauf wartete, dass jemand Eindringling rief. Aber die im Raum befindlichen Menschen nahmen ihre Gegenwart nicht wahr. Sie beruhigte sich langsam und begann, das Geschehen zu beobachten.
Ungefähr fünfzehn Menschen verschiedener Altersstufen und Nationalitäten hatten sich dort versammelt. Nur drei davon waren Frauen und eine der drei sah aus wie eine Lehrerin mittleren Alters. Die anderen beiden Frauen waren jung, schätzungsweise in etwa Mias Alter, obwohl der gestresste Ausdruck ihre Gesichter irgendwie älter erscheinen ließ. Ein schlanker blonder Mann saß mit dem Rücken zu ihr gedreht, aber irgendetwas an ihm kam Mia bekannt vor.
»John«, sagte die Frau mittleren Alters während sie sich an den blonden Mann wandte, »Wir müssen diese Details wirklich heraus bekommen. Wir können ihnen nicht einfach blind vertrauen–«
Er drehte zum Antworten seinen Kopf herum und Mia realisierte mit einem unguten Gefühl im Magen, dass sie diesen John kannte – dass sie in den letzten Wochen zweimal mit ihm gesprochen hatte. Und das bedeutete nur eines: was sie da gerade beobachtete war ein Treffen des Widerstandes – und wenn sie ihm durch ein Video in Korums virtueller Realität beiwohnte, dann war er ihnen offensichtlich auf der Spur.
Oh mein Gott. Sie dachten, sie seien sicher und würden nicht beobachtet werden. Warum sollten sie sich sonst alle hier treffen? John hatte gesagt, dass Korum deswegen in New York sei, um die Widerstandsbewegung auszulöschen...weil sie kurz vor einem Durchbruch standen. Aber offensichtlich war Korum noch näher an seinem Ziel dran, die Freiheitskämpfer zur Strecke zu bringen.
Sie musste sie warnen. Sie waren dort in ihrem Haus in Brooklyn ein gefundenes Fressen. Korum konnte sie jeden Moment angreifen.
Plötzlich spürte Mia, wie sich jedes ihrer Nackenhaare aufstellte. Die Puzzleteile fügten sich zusammen und sie schnappte vor lauter Entsetzen über ihre Erkenntnis hörbar nach Luft.
Es könnte für John und seine Freunde schon zu spät sein.
Warum sollte Korum sonst heute so überstürzt weggerufen worden sein? Er wusste genau, wo sie sich aufhielten. Es gab für ihn keinen Grund, länger zu warten. Ein Überfall stand kurz bevor, falls er nicht schon stattgefunden hatte.
Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden berührte Mia den kleinen Chip an ihrem Ärmel und wurde unverzüglich in das Büro zurück transportiert. Sie führte mit ihrer Hand die gleiche Bewegung aus, die sie bei Korum gesehen hatte und brach vor Erleichterung fast zusammen, als sie sah, dass es funktionierte und die Karte verschwand. Sie zog sich schnell den Pulli aus, und hängte ihn wieder über die Stuhllehne, nachdem sie sichergestellt hatte, dass keine Haare von ihr daran hängen geblieben waren. Dann stellte sie die Stühle so zurück, wie sie dachte, dass es ihrer ursprünglichen Position entsprach und rannte aus dem Zimmer. In der letzten Sekunde erinnerte sie sich noch an den Kopfkissenbezug, schnappte ihn sich und warf ihn auf ihrem Weg nach draußen zurück in den Wäscheberg. Zwei Minuten später hatte sie sich ihre Schuhe angezogen, ihre Tasche gegriffen und betrat den Fahrstuhl.
Sie musste John umgehend kontaktieren.
Sie holte ihr altmodisches Mobiltelefon aus ihrer Tasche und schrieb an Jessie, eine E-Mail mit dem Betreff Hallo . In der Mail erwähnte sie, dass sie heute Nacht nach Hause kommen würde und fragte Jessie, ob sie sich nicht einen Mädels Abend im Appartement machen wollten. Das sollte bei John die Alarmglocken läuten lassen, wenn er wirklich Jessies Account überwachte. Jetzt war alles, was sie noch tun konnte, zu hoffen und zu beten, dass es noch nicht zu spät war.
Weil sie so schnell wie möglich zu Hause sein wollte, nahm sich Mia ein Taxi. Es war ein überflüssiger Luxus, aber wenn es jemals einen guten Grund dafür gegeben hatte, sich zu beeilen – dann diesen. Sie stieg ein, sagte dem Fahrer die Adresse ihres Appartements, lehnte sich
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