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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Pflanzen einsetzte, einfach keine Mörderin sein konnte.
    Das üble Gerede, das in diesen Tagen in der Stadt kursierte, störte sie. Miranda Wood, eine Mörderin? Miss St. Johns Instinkt sagte ihr, dass das nicht passte, und ihr Instinkt hatte sie noch nie betrogen.
    Ozzie brach zwischen den letzten Bäumen hindurch und schoss ab in Richtung Rose Hill Cottage. Miss St. John folgte ihm resigniert. Dann sah sie ein Licht hinter den Bäumen flackern. Es kam aus dem Tremain Cottage. Doch genauso schnell, wie es aufgetaucht war, verschwand es auch wieder.
    Sie erstarrte, weil ihr auf einmal ein unheimlicher Gedanke durch den Kopf ging. Gespenster? Richard war der Einzige, der dieses Cottage überhaupt nutzte. Aber er ist tot.
    Da übernahm der vernünftige Teil ihres Gehirns die Kontrolle, der Miss St. John normalerweise durch den Tag führte. Da war jemand aus der Familie. Natürlich. Vielleicht Evelyn, um die Sachen ihres Mannes einzupacken.
    Dennoch gelang es Miss St. John nicht, das ungute Gefühl abzuschütteln.
    Sie überquerte die Straße und ging die Verandastufen hinauf. »Hallo?« rief sie. »Evelyn? Cassie?« Doch niemand antwortete auf ihr Klopfen.
    Sie versuchte, durch das Fenster zu schauen, aber drinnen blieb es dunkel. »Hallo?« rief sie noch einmal lauter. Sie glaubte ein dumpfes Geräusch irgendwo im Cottage zu hören. Dann folgte Stille.
    Ozzie begann zu bellen. Er tanzte auf der Veranda herum. Seine Krallen klickten auf dem Holz.
    »Schscht, sei doch ruhig!«, zischte Miss St. John. »Sitz!« Der Hund winselte, machte Platz und bedachte sie mit einem deutlich beleidigten Blick.
    Miss St. John stand noch einen Moment lang da und lauschte, doch sie hörte nichts, außer dem Flap-Flap von Ozzies Schwanz, der gegen die Verandabrüstung schlug.
    Vielleicht sollte sie die Polizei rufen. Den ganzen Weg bis zu ihrem Cottage zurück, dachte sie darüber nach. Doch dort in ihrer behaglichen kleinen Küche erschien ihr diese Idee auf einmal verrückt und alarmierend. Es war eine gut halbstündige Fahrt bis zur Nordseite raus. Die örtliche Polizei würde ungern jemanden nur wegen eines Hirngespinsts so weit nach draußen schicken. Außerdem, was konnte es denn im Rose Hill Cottage schon so Interessantes für Räuber und Einbrecher geben?
    »Es ist nur eine Einbildung. Oder meine nachlassende Sehfähigkeit. Schließlich muss man mit 74 schon einmal damit rechnen, dass das Denkvermögen seltsame Züge annimmt.«
    Ozzie drehte sich einmal um sich selbst, bevor er sich hinlegte und prompt einschlief.
    »Na großartig«, sagte Miss St. John, »jetzt rede ich schon mit meinem Hund. Ich verhalte mich ja immer mehr wie ein kauziges, altes Weib. Welcher Teil meines Verstands wird wohl als nächstes aussetzen?«
    Doch wie gewöhnlich kam von Ozzie keine Antwort.
    Der Gerichtssaal war voll besetzt. Bereits ein Dutzend Menschen waren schon vor der Tür abgewiesen worden. Dabei ging es noch nicht einmal um die Verhandlung, sondern erst um die Anhörung, eine Formalität, die das Gesetz vorschrieb, damit man jemanden achtundvierzig Stunden lang einsperren durfte.
    Chase, der mit Evelyn und deren Vater in der zweiten Reihe saß, vermutete, dass es sich um eine kurze Angelegenheit handeln würde. Die Fakten waren eindeutig und die Schuld der Verdächtigen unbestreitbar. Ein paar Worte des Richters, dann würde der Hammer fallen und sie wären alle wieder draußen. Die Mörderin würde in ihre Zelle zurück schleichen, wo sie auch hingehörte.
    »Das ist ja ein verdammtes Affentheater«, schimpfte Evelyns Vater, Noah DeBolt. Mit seinem silbernen Haar und dem Stiernacken war er für seine vierundsechzig Jahre eine noch immer imposante Erscheinung. Chase spürte den automatischen Drang, aufrecht zu sitzen und auf seine Manieren zu achten. In der Gegenwart von Noah DeBolt ließ man sich nicht gehen. Man war immer höflich und respektvoll, auch, wenn man längst erwachsen war.
    Das galt offenbar auch für einen Polizeichef, wie Chase feststellte, als Lorne Tibbetts vor Noah DeBolt stehen blieb und sich höflich an den Hut tippte.
    Die Hauptpersonen nahmen ihre Plätze ein. Der Staatsanwalt aus Bass Harbour saß an seinem Tisch und ging einen Stapel Papiere durch. Lorne und Ellis, die die halbe örtliche Polizeitruppe verkörperten, saßen in steifen Uniformen und mit ordentlich gekämmten Haaren links von ihm. Sie trugen sogar die Scheitel auf der gleichen Seite. Der Anwalt der Verteidigung, ein junger Mann in einem Anzug, der

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