Gefährliche Begierde
mein Vater starb. Aber Chase war schon immer das Problemkind der Familie gewesen …
Verwirrt blinzelte Miranda in das Sonnenlicht. War das möglich? Es gab keine Ähnlichkeit zwischen ihnen, nicht den kleinsten Hinweis auf eine familiäre Bindung. Richard hatte blaue Augen, hellbraunes Haar und ein vom Wetter gegerbtes, ständig sonnengebräuntes Gesicht. Und dieser Chase war nur dunkel, nur Schatten. Es fiel schwer zu glauben, dass die beiden Brüder sein sollten. Doch das erklärte seine kalte Art und den verächtlichen Blick. Er dachte, sie hätte Richard umgebracht, und als er der Mörderin seines Bruders Auge in Auge gegenüberstand, fühlte er nur Ablehnung.
Miranda sank langsam auf die Liege zurück, und während sie dort lag, sah sie ein Stückchen blauen Himmel und Wolken. August. Es war ein heißer Tag. Ihr T-Shirt klebte feucht vor Schweiß an ihrer Haut.
Sie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, eine am Himmel schwebende Möwe zu sein und die Insel weit unter sich zu sehen.
Doch stattdessen sah sie nur die anklagenden Augen von Chase.
3. KAPITEL
Er war bestimmt der hässlichste Hund der Welt.
Miss Lila St. John betrachtete ihr Haustier mit einer Mischung aus Liebe und Mitleid. Sir Oscar Henry San Angelo III, auch als Ozzie bekannt, gehörte zu der seltenen Rasse der Portugiesischen Wasserhunde. Miss St. John war sich über die Attribute dieser besonderen Rasse nicht ganz im Klaren. Sie vermutete, dass es sich um eine Art genetischen Witz handelte. Ihre Nichte hatte ihr diesen Hund geschenkt – damit er dir Gesellschaft leistet, Tantchen – und angepriesen. Seitdem grübelte Miss St. John darüber nach, was ihre Nichte gegen sie hatte. Nicht, dass Ozzie gar keine Werte besessen hätte. Er biss niemanden und ließ die Katze in Ruhe. Außerdem war er ein ganz passabler Wachhund. Doch er fraß soviel wie ein Pferd, war quirlig wie eine Maus, und er verzieh es einem nicht, wenn man nicht wenigstens viermal täglich mit ihm hinaus wollte. Dann stand er an der Tür und heulte. So wie jetzt.
Oh, Miss St. John kannte diesen Blick. Selbst, wenn sie die Augen des Biestes nicht hätte sehen können, hätte sie trotzdem gewusst, was dieser Blick bedeutete. Seufzend öffnete sie die Tür. Das schwarze Fellbündel schoss an ihr vorbei die Verandatreppen hinunter und verschwand in Richtung Wald. Miss St. John blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen, und so ging sie ebenfalls in den Wald.
Es war einer dieser warmen, ruhigen Abende, wo die Dämmerung von der Mittsommernacht verzaubert schien. Sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie in dieser Nacht etwas besonderes entdeckt hätte; zum Beispiel ein Reh oder ein Rehkitz, vielleicht auch ein Fuchsjunges oder sogar eine Eule.
Festen Schrittes folgte sie ihrem Hund zwischen den Bäumen hindurch und stellte fest, dass sie sich auf dem direkten Weg zum Rose Hill Cottage, dem Sommerwohnsitz der Tremains befanden. Welch eine Tragödie der Tod Richard Tremains doch war! Sie hatte den Mann zwar nicht besonders gemocht, aber ihre Häuser waren die letzten beiden Cottages an dieser verlassenen Straße, und sie hatte ihn bei ihren gelegentlichen Spaziergängen oft hinter dem Fenster mit konzentriertem Blick an seinem Schreibtisch sitzen sehen. Er war immer freundlich zu ihr gewesen, und er war ihr respektvoll begegnet, auch, wenn sie dahinter eher Höflichkeit als echten Respekt vermutete. Er mochte mit älteren Damen nicht allzu viel anfangen können, aber er behandelte sie wenigstens anständig.
Soviel sie gehört hatte, war das bei jüngeren Damen etwas anders.
Die neuesten Enthüllungen um seinen Tod beunruhigten sie. Damit meinte sie nicht einmal seine Ermordung, sondern die Identität der Frau, die man verdächtigte. Miss St. John war Miranda Wood ein paar Mal begegnet. Sie hatten sogar miteinander gesprochen. Auf dieser kleinen Insel begaben sich im Winter nur Fanatiker von der Grünen Daumen Fraktion auf die eisige Straße, um an den Treffen des lokalen Kleingarten-Vereins teilzunehmen. Dort war Miss St. John auch Miranda begegnet. Sie hatten während eines Vortrags über triploide Ringelblumen zusammen gesessen und dann noch einmal bei einer Diskussion über die Kultivierung von Gloxinien. Miranda benahm sich freundlich und respektvoll, aber sie war wirklich so. Ein nettes Mädchen. Nicht die Spur von Unehrlichkeit in ihren Augen. Es schien Miss St. John, dass eine Frau, die sich so leidenschaftlich für Blumen und das Leben und Wachstum von
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