Gefährliche Begierde
Lippen die Worte: Ich halte zu dir, Süße! Miranda hätte beinahe zurückgelächelt.
Dann blieb ihr Blick auf Chase Tremains versteinertem Gesicht hängen. Das Lächeln erstarb auf ihren Lippen.
Von allen Gesichtern im Saal erschreckte sie seines am meisten. Sie hatte das Gefühl, auf Zwergengröße zusammenzuschrumpfen. Um seinem vernichtenden Blick zu entkommen, hätte sie sich am liebsten in einer dunklen, unerreichbaren Höhle versteckt. Die Gesichter an seiner Seite sprachen ebenfalls Bände. Evelyn Tremains Antlitz wirkte in der schwarzen Witwenkluft bleich wie eine Totenmaske. Neben ihr saß ihr Vater Noah DeBolt, einer der Patriarchen der Stadt, ein Mann, dessen stählerner Blick jedem, der es wagte, ihn zu beleidigen, zu verstehen gab, dass er erledigt war. Nun zielte er mit diesem giftigen Blick auf Miranda.
Die Hand des Justizbeamten zog Miranda zum Tisch des Verteidigers. Demütig ließ sie sich neben dem Anwalt nieder, der sie mit einem steifen Nicken begrüßte. Randall Pelham gehörte zur Ivy League und war perfekt für diesen Anlass gekleidet, aber wenn Miranda ihn ansah, dachte sie immer nur daran, wie jung er doch wirkte. Er schaffte es, dass sie sich mit ihren 29 Jahren bereits als reife Frau betrachtete. Dennoch hatte sie in dieser Hinsicht kaum eine andere Wahl gehabt. Es gab nur zwei Anwälte im Praktikum auf Shephard’s Island. Der andere hieß Lee Hardee. Er war ein Mann mit Erfahrung, einem guten Ruf und einer angemessenen Honorarvorstellung. Leider standen die Namen DeBolt und Tremain auf seiner Klientenliste.
Bei Randall Pelham bestanden keine Interessenskonflikte. Er hatte ohnehin nicht viele Klienten. Als der Neue in der Stadt war er bereit, jeden zu verteidigen; selbst die hiesige Mörderin.
»Ist alles in Ordnung Mr. Pelham?« fragte sie leise.
»Lassen Sie mich reden. Bleiben Sie einfach hier sitzen und gucken Sie unschuldig.«
»Ich bin unschuldig.«
Randall Pelham gab darauf keine Antwort.
»Bitte erheben Sie sich für Euer Ehren Herbert C. Klimenko«, rief der Justizbeamte.
Alle standen auf.
Das Geräusch scharrender Füße kündigte die Ankunft von Richter Klimenko an, der sich wie einen Sack loser Knochen in den quietschenden Richterstuhl sinken ließ. Er klopfte seine Taschen ab, bevor er schließlich eine Brille hervorzauberte, die er sich auf die Nase setzte.
»Sie haben ihn aus dem Ruhestand geholt«, flüsterte jemand in der ersten Reihe. »Man sagt, er sei senil, wissen Sie?«
»Man behauptet auch, er sei taub«, schoss Richter Klimenko zurück und schlug mit dem Hammer auf den Tisch. »Die Sitzung ist eröffnet.«
Das war der Auftakt. Miranda folgte dem Rat ihres Anwalts und überließ ihm das Reden. Sie sprach fünfundvierzig Minuten lang kein Wort, während zwei Männer, von denen sie den einen kaum, den anderen gar nicht kannte, um ihre Freiheit stritten. Es ging nicht um Schuld oder Unschuld. Das würde erst in der Hauptverhandlung entschieden. Das Thema, das sie heute verhandelten, betraf sie viel unmittelbarer: Würde man sie bis zur Verhandlung freilassen?
Der Staatsanwalt hakte eine Liste von Gründen ab, weshalb die Angeklagte in Haft bleiben sollte. Beweislast. Gefahr für die Allgemeinheit. Mögliche Fluchtgefahr. Die brutale Art des Verbrechens, erklärte er, wies auf die Gefährlichkeit der Angeklagten hin. Miranda konnte nicht glauben, dass sie mit diesem Monster, auf das er sich bezog, gemeint war. Denken sie so über mich?, fragte sie sich, während sie die Blicke der Zuschauer in ihrem Rücken spürte. Denken sie, dass ich böse bin? Dass ich wieder töten würde?
Erst als man sie zum zweiten Mal aufforderte, für Richter Klimenkos Entscheidungsverkündung aufzustehen, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gegenwart. Zitternd erhob sie sich und blickte in ein Augenpaar, das über den Rand der Gläser auf sie hinunter sah.
»Die Kaution wird auf 100.000 Dollar in bar oder 200.000 Dollar versichertes Eigentum festgelegt.« Dann fiel der Hammer. »Die Sitzung ist beendet.«
Miranda war fassungslos. Selbst als die Zuschauer hinter ihr begannen, aufzustehen und nach draußen zu strömen, stand sie vor Verzweiflung da wie erstarrt.
»Es ist das Beste, was ich tun konnte«, flüsterte Pelham. Es hätte genauso gut eine Million sein können. Sie wäre niemals dazu in der Lage gewesen, diese Summe aufzubringen.
»Kommen Sie Ms. Wood«, sagte der Justizbeamte, »es wird Zeit zurückzugehen.«
Schweigend ließ sie sich an den neugierigen
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