Gefährliche Begierde
Betrachten Sie nur einmal die Kaution, die er festlegte. Er wusste, dass sie niemals soviel Geld würde aufbringen können. Also wird sie so schnell nicht wieder aus dem Gefängnis heraus kommen; es sei den, sie hätte noch irgendwo einen reichen Onkel versteckt.«
»Kaum«, sagte Evelyn. »Eine Frau wie sie konnte nur auf der Schattenseite geboren sein.«
Schattenseite, dachte Chase, das bedeutete arm, aber nicht automatisch Abschaum, soviel hatte er durch den Spiegel erkennen können. Abschaum war billig, leicht zu verbiegen und käuflich. Miranda Wood war keine von denen.
Ein Wagen von der Shephard’s Island Polizei stoppte in der Auffahrt.
Tibbetts seufzte. »Jesus, sie lassen einen nie in Ruhe, nicht einmal an meinem freien Tag.«
Ellis Snipe, der spindeldürr in seiner Polizeiuniform wirkte, stieg aus. Seine Stiefel knirschten auf dem Kies, während er sich der Gruppe näherte. »Hey, Lorne«, rief er zur Veranda hinauf. »Ich dachte mir schon, dass du hier bist.«
»Es ist Samstag, Ellis.«
»Ja, ich weiß, Lorne. Aber wir haben so eine Art Problem bekommen.«
»Wenn es wieder der Waschraum ist, dann ruf einfach den Klempner an. Ich unterschreibe das Anforderungsformular.«
»Nein, es ist …« Ellis schaute unbehaglich zu Evelyn.
»Es geht um diese Frau, Miranda Wood.«
Tibbetts erhob sich und trat an die Verandabrüstung.
»Was ist mit ihr?«
»Sie haben doch von den hunderttausend Dollar Kaution gehört?«
»Ja?«
»Jemand hat sie bezahlt.«
»Was?«
»Jemand hat sie bezahlt. Wir sollen sie freilassen.«
Auf der Veranda entstand eine lange Pause, bis Evelyn leise und in einem giftigen Ton sagte: »Wer hat sie bezahlt?«
»Keine Ahnung«, meinte Ellis. »Aus dem Gericht heißt es, das sei anonym. Die Kaution wurde über einen Anwalt aus Boston gestellt. Also, Lorne, was machen wir?«
Tibbetts atmete hörbar aus. Er rieb seinen Nacken und verlagerte sein Gewicht ein paar Mal von einem Bein auf das andere. Dann sagte er: »Es tut mir leid, Evelyn.«
»Lorne, das können Sie nicht tun!« schrie sie.
»Ich habe keine andere Wahl.« Er wandte sich an den Polizisten. »Du hast den Gerichtsbefehl, Ellis. Lass sie laufen.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Miranda und starrte verwirrt zu ihren Anwalt hinüber. »Wer sollte denn so etwas für mich tun?«
»Offenbar ein Freund«, war Randall Pelhams trockene Antwort. »Ein sehr guter Freund.«
»Aber ich habe keine Freunde mit so viel Geld. Niemand, der hunderttausend erübrigen könnte.«
»Nun, jemand kommt für die Kaution auf. Mein Rat ist, schauen Sie einem geschenkten Gaul nicht ins Maul.«
»Wenn ich nur wüsste, wer es war …«
»Die Angelegenheit wurde von einem Bpstoner Anwalt geregelt, der sagt, dass sein Klient anonym bleiben will.«
»Warum?«
»Vielleicht wäre es dem Spender unangenehm …«
Einer Mörderin zu helfen
, ergänzte sie in Gedanken.
»Es ist sein – oder ihr – Recht, anonym zu bleiben. Ich würde sagen, nehmen Sie an. Die Alternative wäre im Gefängnis zu bleiben. Nicht unbedingt der komfortabelste Ort, an dem man sich aufhalten kann.«
Sie stieß geräuschvoll Luft aus. »Nein, das ist es nicht.« Es war tatsächlich schrecklich düster in der Zelle gewesen. Sie hatte die letzte Woche damit verbracht, auf das Fenster zu starren und sich nach einem einfachen Vergnügen wie einem Spaziergang am Meer zu sehnen. Oder nach einem ordentlichen Essen. Oder auch nur nach wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht. Und nun war all das in Reichweite.
»Ich wünschte, ich wüsste, wem ich das zu verdanken habe«, sagte sie leise.
»Ich denke, diesen Wunsch kann ich Ihnen nicht erfüllen, Miranda. Akzeptieren Sie es einfach als einen Gefallen.« Er schloss seine Aktentasche.
Plötzlich irritierte er sie, dieses Kind, kaum aus den Windeln, und so smart und schick in seinem grauen Anzug. Herr Randall Pelham.
»Die Vorkehrungen sind getroffen. Am Nachmittag können Sie gehen. Werden Sie in Ihrem Haus bleiben?«
Sie hielt inne und erschauderte bei dem Gedanken an Richards Körper auf ihrem Bett. Das Haus war inzwischen gesäubert worden. Ihr Nachbar, Mr. Lanzo, hatte sich darum gekümmert und ihr gesagt, das jetzt wieder alles in Ordnung war, so als ob in diesem Schlafzimmer nie etwas geschehen wäre. Die Spuren der Gewalt waren getilgt. In der Realität jedenfalls. In ihrer Erinnerung nicht.
Sie nickte. »Ja, ich glaube, ich werde nach Hause gehen.« Wo auch hätte sie sonst hin gekonnt?
»Sie kennen die
Weitere Kostenlose Bücher