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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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herunter hängenden Hörer. Der fremde Anrufer lachte. Sie konnte das Gekicher hören. Es klang grausam und kindisch. Dann hastete sie nach vorne, packte den Hörer und warf ihn auf die Gabel.
    Da klingelte das Telefon erneut. Sie nahm ab.
    »Lizzie Borden schlägt die Axt …«
    »Hör auf!« schrie sie. »Lass mich in Ruhe.«
    Sie legte auf, und es begann wieder zu läuten.
    Diesmal ging sie nicht dran. In Tränen aufgelöst rannte sie zur Küchentür hinaus in den Garten. Da sank sie in einen Grashaufen auf dem Rasen. Über ihrem Kopf zwitscherten Vögel. Der Geruch von warmer Erde und Blumen erfüllte süßlich den Nachmittag. Sie begrub ihr Gesicht im Gras und weinte.
    Drinnen klingelte das Telefon immer weiter.

4. KAPITEL
    Miranda stand alleine und unbeobachtet vor dem Friedhofstor. Durch die schmiedeeisernen Stäbe konnte sie die Trauernden sehen, die sich um ein frisch ausgehobenes Grab scharten. Es war eine große Versammlung, wie es sich für ein respektiertes Mitglied der Gesellschaft gehörte. Respektiert, vielleicht, sagte sie zu sich selbst, aber war er auch beliebt? Hatte irgend jemand von ihnen, inklusive seiner Frau, ihn wirklich geliebt? Ich dachte, ich hätte. Einmal …
    Die Stimme von Pfarrer Marriner war kaum mehr als ein Murmeln. Vieles ging im Rascheln der Fliederbüsche über ihr verloren. Sie strengte sich an, die Worte zu verstehen. »Liebender Ehemann … wird uns ewig fehlen … grausame Tragödie … Gott vergib …«
    Vergib.
    Sie flüsterte die Worte, als spräche sie ein Gebet, das sie irgendwie aus den Klauen der Schuld befreien konnte. Aber wer würde ihr vergeben?
    Gewiss niemand dieser Trauergemeinschaft.
    Sie erkannte beinahe jedes Gesicht dort. Ihre Nachbarn waren darunter, ihre Kollegen von der Zeitung und ihre Freunde. Sag lieber ehemalige Freunde, dachte sie verbittert. Dann waren da noch diejenigen, die zu hochtrabend waren, um ihre Bekanntschaft zu machen und die, die sich in sozialen Schichten bewegten, zu denen Miranda niemals Zutritt bekommen würde.
    Sie entdeckte den grimmigen, aber gefassten Noah DeBolt, Evelyns Vater und auch Forrest Mayhew, den Präsidenten der hiesigen Sparkasse, vorschriftsmäßig in Anzug und Krawatte gekleidet. Miss Lila St. John gehörte in eine Kategorie für sich. Die örtliche Blumen- und Gartenfee schien seit Jahren auf das Alter von vierundsiebzig abonniert zu sein. Außerdem waren da natürlich die Tremains. Sie gaben ein tragisches Bild ab, wie sie da so selbstsicher neben dem offenen Grab standen. Evelyn zwischen ihrem Sohn und Chase Tremain, als ob sie beide Männer als Stütze benötigte. Ihre Tochter Cassie hielt sich fast aufsässig abseits. Ihr geblümtes pfirsichfarbenes Kleid bildete einen schockierenden Kontrast zu dem Grau und Schwarz der anderen Trauergäste.
    Ja, Miranda kannte sie alle. Und sie kannten Miranda. Sie hätte alles Recht gehabt, dort bei ihnen zu stehen.
    Schließlich war sie einmal Richards Freundin gewesen; sie war es ihm schuldig, auf Wiedersehen zu sagen. Sie sollte ihrem Herzen folgen, zum Teufel mit den Konsequenzen.
    Doch ihr fehlte der Mut.
    Also blieb sie an der Peripherie, einem einsamen und stimmlosen Exil und beobachtete, wie sie den Mann, der einst ihr Liebhaber gewesen war, zur letzten Ruhe betteten.
    Als es vorbei war, stand sie immer noch da, auch als die Trauergemeinde den Friedhof langsam und stetig durch die Tore zu verlassen begann. Sie sah ihre überraschten Blicke, hörte sie nach Luft schnappen und ihr Gemurmel.
    »Seht mal, da ist sie.« Ruhig begegnete sie ihren Blicken. Fliehen hätte wie ein Akt der Feigheit ausgesehen. Ich mag zwar nicht mutig sein, aber ich bin kein Feigling. Die meisten von ihnen gingen schnell und mit gesenktem Blick an ihr vorbei. Nur Miss Lila St. John erwiderte den Augenkontakt, wobei sie Miranda weder freundlich noch unfreundlich, sondern eher nachdenklich musterte. Einen Moment lang, glaubte Miranda, ein Lächeln in Miss Lila St. Johns Augen aufflackern zu sehen, doch dann ging auch sie weiter.
    Ein scharfer Atemzug ließ Miranda sich umdrehen.
    Die Tremains waren am Tor stehen geblieben. Evelyn erhob langsam die Hand und deutete auf Miranda. »Sie haben kein Recht«, flüsterte sie, »kein Recht hier zu sein.«
    »Mama, vergiss es«, sagte Phillip, während er sie am Arm packte und wegzog. »Lass uns einfach nach Hause gehen.«
    »Sie gehört nicht hierher.«
    »Mama …«
    »Verschwinden Sie!« Evelyn stürzte sich auf Miranda und ging mit den Fäusten auf

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