Gefährliche Begierde
diesen Schritt überdenken sollten?«
Sie hob den Kopf und schaute den Anwalt über den Schreibtisch hinweg an. »Setzen Sie die Papiere auf. Ich will es jetzt hinter mich bringen.«
»Möglicherweise wollen Sie das doch nicht«, sagte Chase da ganz ruhig.
Miranda starrte ihn ungläubig an. »Was?«
»Mr. FitzHugh hat da ein paar Punkte angesprochen, die ich nicht in Erwägung gezogen hatte. Sie sollten wirklich noch einmal ein paar Tage darüber nachdenken.« Ihre Blicke trafen sich erneut. Sie konnte erkennen, dass er von dem, was er hier gehört hatte, verwirrt war.
»Wollen Sie damit sagen, ich soll Rose Hill behalten?«
»Ich sage nur, dass Richard einen Grund hatte, sein Testament zu ändern, und bevor wir die Dinge wieder rückgängig machen, lassen Sie uns lieber herausfinden, warum er das tat.«
Vernon FitzHugh nickte. »Exakt das denke ich auch«, sagte er.
Auf der Fähre zurück nach Shephard’s Island wechselten sie kein Wort miteinander. Erst als sie auf die Pier hinunter und auf die Shore Circle Road zufuhren, erwachte Miranda aus ihrer Erstarrung. »Wo fahren wir hin?« fragte sie.
»Zur Nordküste.«
»Warum?«
»Ich möchte, dass Sie das Rose Hill Cottage sehen. Es ist nur fair, wenn Sie wissen, was Sie Evelyn zurückgeben.«
»Es macht Ihnen Spaß, oder?« fragte sie. »Mich an der Nase herumzuführen und kleine Spielchen mit mir zu spielen. Einmal behaupten Sie, ich würde das Eigentum der Tremains stehlen, und als Nächstes versuchen Sie, mich zu überreden, genau das zu tun. Was soll das alles, Chase?«
»Es macht mich stutzig, was FitzHugh uns erzählt hat. Dass Richard Evelyn das Cottage wegnehmen wollte.«
»Aber es sollte ihr zufallen.«
»Rose Hill kam von der Seite meiner Mutter in die Familie, den Pruitts. Evelyn hat keinen Anspruch darauf.«
»Er hätte es Ihnen vermachen können.« Chase lachte. »Das ist unwahrscheinlich.«
»Warum?«
»Wir standen uns als Brüder nicht gerade sehr nahe. Ich hatte sogar noch Glück, seine Sammlung rostiger Schwerter aus dem Bürgerkrieg zu bekommen. Nein, er wollte, dass Rose Hill jemandem gehört, den er liebte. Sie waren seine erste Wahl und vielleicht auch seine einzige.«
»Er liebte mich nicht, Chase«, sagte sie leise. »Nicht wirklich.«
Sie fuhren nach Norden und schlängelten sich vorbei an Sommerhäusern, an von Pinien bewachsenen Granitklippen und steinigen Stränden, wo die Wellen weiß schäumend an Land brachen. Möwen zogen ihre Kreise über ihnen und stürzten sich auf das blaugraue Meer.
»Warum sagen Sie das?« wollte er wissen, »Warum sagen Sie, dass Richard Sie nicht liebte?«
»Weil ich es weiß. Ich glaube, ich habe es immer gewusst. Oh, möglicherweise dachte er, dass er mich liebte, aber für Richard bedeutete Liebe Mondlicht und andere Verrücktheiten. Ein Fieber, das irgendwann wieder nachlässt. Es war nur eine Frage der Zeit.«
»Das klingt tatsächlich nach Richard. Als Kind war er immer auf der Jagd nach der niemals endenden Hochstimmung.«
»Seid Ihr Tremains alle so?«
»Kaum. Mein Vater war mit seiner Arbeit verheiratet.«
»Und mit wem oder was sind Sie verheiratet?«
Er sah sie an. Die Intensität seines Blickes erschreckte sie. Es war der Blick eines Mannes, der sich nicht fürchtete, die Wahrheit zu sagen.
»Mit nichts und niemandem. Wenigstens nicht mehr. Nicht seit Christine.«
»Ihre Frau?«
Er nickte. »Es hielt nicht sehr lange. In Wirklichkeit war ich fast noch ein Kind, erst zwanzig. Und ich lebte meinen Anteil an wilden und verrückten Dingen aus. Es war ein bequemer Weg, es meinem Vater heimzuzahlen, und es funktionierte.«
»Und was geschah mit Christine?«
»Sie fand heraus, dass ich das Vermögen der Tremains nicht erben würde und verließ mich. Schlaues Mädchen. Sie hat wenigstens ihren Kopf benutzt.«
Er konzentrierte sich auf die Straße, die er offensichtlich gut kannte. Miranda bemerkte, wie geschickt er den Wagen auch um die heimtückischsten Kurven lenkte. Wie wild auch immer er in seiner Jugend gewesen sein mochte, seitdem hatte er sich gezügelt. Neben ihr saß ein Mann, der sein Leben und seine Gefühle unter Kontrolle hatte, und keiner, der auf Jagd nach kurzlebigen Mondscheingeschichten war.
Die zwanzigminütige Fahrt brachte sie zum letzten Stück gepflasterter Straße. Danach wich der Asphalt einem holprigen Zufahrtsweg, der von Birken und Pinien umsäumt war. Rustikale Namensschilder wiesen auf die verschiedenen Ferienhäuser hin, die sich zwischen den
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