Gefährliche Begierde
Bäumen versteckten. Mamas und Papas. Brandwein Cottage. Gesundheitscamp. Hier und da führten staubige Pfade zu den Sommerrefugien prominenter Inselfamilien, von denen die meisten ihre Höfe schon seit Generationen besaßen.
Die Zufahrtsstraße stieg an und schlängelte sich einen halben Kilometer lang über den hügeligen Hang hinauf.
Sie kamen an einer Steinmarkierung vorbei, die den Wald als St. John’s Wood auswies. Dann erreichten sie das letzte Schild, das genauso rustikal war wie die anderen: Rose Hill. Eine letzte Kurve, und sie ließen den Wald endgültig hinter sich, als sich ein weites, abfallendes Feld vor ihnen öffnete. Das verwitterte Cottage mit Blick nach Norden aufs Meer stand auf der Hügelspitze. Pinkfarbene Clematis umrankten die Brüstung der Veranda. Mit Unkraut überwucherte Rosenbüsche, die aber dennoch tapfer blühten, kauerten wie dornige Wachen neben den Verandastufen.
Sie parkten in der Kiesauffahrt und stiegen aus. Der Duft von Blumen und sonnenwarmem Gras umfing sie. Einen Moment lang stand Miranda reglos da, das Gesicht dem Himmel entgegengereckt. Nicht eine Wolke störte das perfekte Blau. Eine einzelne Möwe, die den Aufwind am Hügel nutzte, trieb über ihren Köpfen.
»Kommen Sie«, sagte Chase, »ich zeige es Ihnen.«
Er führte sie die Verandastufen hinauf. »Ich habe das Haus seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen. Ich habe beinahe Angst, hineinzugehen.«
»Angst? Vor was?«
»Veränderungen. Was sie damit gemacht haben mögen. Aber ich glaube, es ist wie mit dem Zuhause Ihrer Kindheit.«
»Vor allem, wenn Sie hier glücklich waren.« Er lächelte. »Genau.«
Sie blieben einen Augenblick lang stehen und betrachteten die alte Verandabrüstung, die knarrend im Wind hin und her schaukelte.
»Haben Sie einen Schlüssel?« fragte sie.
»Es müsste einer hier sein.« Er bückte sich und untersuchte eines der Fensterbretter. »Da ist ein kleiner Spalt im Holz, wo Mutter immer einen Ersatzschlüssel aufbewahrte …« Dann richtete er sich seufzend auf. »Nicht mehr. Gut, falls die Tür verschlossen ist, dann finden wir vielleicht irgendwo ein offenes Fenster.« Er ergriff zaghaft den Türknauf. »Wie finden Sie das?« Er lachte und stieß die Tür auf. »Es ist nicht einmal abgeschlossen.«
Als die Tür sich knarrend öffnete, kam der erste Raum in Sicht – ein ausgeblichener, alter Orientteppich lag auf der Schwelle und am Anfang des alten Dielenfußbodens; am hinteren Ende sah man einen Kamin aus Stein. Miranda ging hinein, blieb dann jedoch abrupt stehen. Vor ihren Füßen lag ein Haufen Papier. Die Schubladen eines Schreibtischs in der Ecke standen offen. Ihr Inhalt lag auf dem Fußboden verstreut. Bücher waren aus dem Regal genommen und auf den Papierstapel geworfen worden.
Chase betrat ebenfalls den Raum und blieb neben ihr stehen. Sie hörten, wie die Tür hinter ihnen geräuschvoll ins Schloss fiel.
»Was zum Teufel ist denn hier los?« sagte er.
7. KAPITEL
Schweigend betrachteten sie den durchwühlten Schreibtisch und die verstreut herumliegenden Papiere. Chase ging wortlos in den angrenzenden Raum.
Miranda kam hinter ihm in die Küche, wo alles in Ordnung schien. Töpfe und Pfannen hingen an einem Balken, Mehl- und Zuckerbehälter standen ordentlich auf einem Büfett aufgereiht.
Als er auf die Treppe zusteuerte, folgte sie ihm auf dem Absatz. Sie rannten die Stufen hinauf und sahen zuerst in das kleine Gästezimmer hinein. Auch hier schien alles in Ordnung. Chase öffnete rasch ein paar Schränke und warf einen Blick in die Schubladen.
»Wonach suchen Sie?« fragte Miranda.
Er antwortete nicht, sondern durchquerte die Diele, um in das große Schlafzimmer zu gelangen.
Hier gab es Doppelfenster mit Blick auf das Meer. Rechts und links davon hingen Vorhänge aus Spitze. Eine cremefarbene Tagesdecke zierte das Himmelbett. Staubpartikel schwebten in der von der Sonne erwärmten Stille.
»Es sieht so aus, als hätten sie hier auch nichts angerührt«, sagte Miranda.
Chase ging zur Frisierkommode, nahm eine silberne Haarbürste in die Hand und legte sie wieder hin. »Offensichtlich nicht.«
»Was in aller Welt geht hier vor sich, Chase?«
Er drehte sich um und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. »Das ist verrückt. Sie haben die Gemälde da gelassen. Die Möbel …«
»Fehlt nichts?«
»Nichts Wertvolles. Wenigstens nichts, das einen normalen Dieb interessiert hätte.« Er öffnete eine Schublade an der Frisierkommode und betrachtete
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