Gefährliche Begierde
angewidert ab. »Ich habe keine Ahnung, worüber er spricht, verdammt noch einmal. Er redet wirres Zeug.«
»Dreh mir nicht den Rücken zu, junge Dame!«
»Sie sehen, dass er einen Arzt braucht, Lorne. Versuchen Sie es mit einem Psychiater.«
»Ist das der Dank dafür«, schimpfte Noah, »dass ich dich vor dem Gefängnis bewahrt habe?«
Stille. Evelyn wandte sich um und sah ihren Vater an. Ihr Gesicht war bleich. »Gefängnis? Warum?«
»Richard.« Noah, dessen Wut plötzlich verflogen war, sank langsam in seinen Stuhl zurück. Dann sagte er leise, »wegen Richard.«
»Du denkst, dass ich …« Evelyn schüttelte den Kopf.
»Warum? Du wusstest doch, dass es diese … diese Hure war!«
Noah wich ihrem Blick aus. In dieser Geste lag seine Antwort. Eine Antwort, die Chase Seele von einer bleischweren Last befreite. Er hatte das Gefühl zu schweben. Erst jetzt bestätigte sich, dass diese Bürde die ganze Zeit auf ihm gelastet hatte, die Bürde des fehlenden Beweises. Mit dieser einen Geste war auch der letzte Zweifel an Mirandas Unschuld weggewischt worden.
»Du weißt, dass Miranda unschuldig ist«, stellte Chase fest.
Noah vergrub den Kopf in den Händen. »Ja, so ist es«, flüsterte er.
»Wieso?« mischte sich Lorne ein.
»Weil ich sie beobachten ließ. Oh, ich wusste von dem Verhältnis. Ich wusste, worauf Richard aus war, und ich hatte genug davon! Ich wollte nicht zusehen, wie er Evelyn schon wieder verletzte. Also heuerte ich einen Mann an, damit er Miranda Wood beobachtete, ihr folgte und Fotos machte. Er sollte sie auf frischer Tat ertappen. Ich wollte, dass Evelyn ein für allemal wusste, mit welchem Bastard sie verheiratet war.«
»Und in der Nacht, in der er getötet wurde, stand Miranda unter Beobachtung?« fragte Lorne.
Noah nickte.
»Was hat Ihr Mann gesehen?«
»Vom Mord? Nichts. Er war damit beschäftigt, der Frau zu folgen. Sie verließ das Haus und ging zum Strand, wo sie ungefähr eine Stunde lang saß. Dann kehrte sie um. Und als sie zu Hause ankam, war mein Schwiegersohn bereits tot.«
Genau wie sie sagte
, dachte Chase.
Es war alles wahr, bis hin zur letzten Kleinigkeit.
»Dann hat Ihr Mann den Mörder nicht gesehen?« fragte Lorne.
»Nein.«
»Aber Sie vermuteten, dass Ihre Tochter …«
Noah zuckte mit den Achseln. »Es schien … naheliegend zu sein. Er hätte es kommen sehen müssen. All die Jahre voller Demütigungen für sie. Glauben Sie, er hätte es nicht verdient? Glauben Sie, sie hätte sich nicht gerechtfertigt?«
»Aber ich habe es nicht getan«, sagte Evelyn. Doch man ignorierte ihren Einwand.
»Warum haben Sie Miranda aus dem Gefängnis geholt?« fragte Lorne.
»Ich dachte, wenn sie vor Gericht auf ihrer Geschichte bestanden hätte, wäre man vielleicht auf die Idee gekommen wäre, nach anderen Verdächtigen Ausschau zu halten.«
»Sie meinen Evelyn?«
»Besser, wenn sich die Sache ein für alle Mal erledigt hätte!« platzte es aus Noah heraus. »Wenn es einen Unfall gegeben hätte, wäre alles vorbei gewesen. Keine weiteren Fragen. Keine weiteren Verdächtigen.«
»Also wolltest du, dass sie aus dem Gefängnis herauskam«, sagte Chase. »Weil du sie draußen auf der Straße besser erwischen konntest.«
»Das ist genug, Noah!« mischte sich Hardee ein. »Sie müssen diese Frage nicht beantworten.«
»Verflucht, Les!« fauchte Evelyn. »Das hätten Sie ihm früher sagen sollen!« Sie betrachtete ihren Vater mit einer Mischung aus Mitleid und Ekel. »Zu deiner Beruhigung, Vater. Ich habe Richard nicht getötet. Das, was du dir da ausgedacht hast, zeigt nur, wie wenig du mich kennst. Oder wie wenig ich dich kenne.«
»Es tut mir Leid, Evelyn«, sagte Lorne ruhig. »Aber nun muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Evelyn drehte sich zu ihm um. Sie reckte ihr Kinn und demonstrierte mit dieser Geste einen sturen Stolz und unbeugsame Stärke. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, empfand Chase so etwas wie Bewunderung für seine Schwägerin.
»Fragen Sie nur, Lorne«, sagte sie. »Sie sind der Polizist. Und ich vermute, ich bin jetzt Ihre Hauptverdächtige.«
Chase wollte den Rest nicht mehr hören. Er verließ den Raum und ging den Korridor hinunter, um Miranda zu finden. Jetzt kann man es beweisen. Jedes Wort, das du gesagt hast, war wahr. Er hoffte, dass sie wieder von vorne beginnen könnten. Und er stürmte plötzlich mit neuem Elan und neuen Erwartungen voran. Der Mord stand nicht mehr zwischen ihnen, und sie hatten die Chance, es noch einmal zu
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