Gefaehrliche Begierde
brachte Rupert mit steifen, blutleeren Lippen hervor.
Alexandra saß benommen auf ihrem Pferd, während sie zusah, wie die Stallknechte die Leiche in das Haus trugen. Sie dachte an den Streit, der an diesem Morgen zwischen Lord Hatton und seinem Sohn entbrannt war. Nicholas, nein! Ihr Herz zog sich zusammen. Nick würde dafür verantwortlich gemacht werden. Sie verwarf diesen Gedanken und dachte wieder an die Worte, die sie zu Nick gesagt hatte. »Drücke die Daumen, dass etwas Skandalöses passiert.« Alexandra schloss die Augen, als das Schuldgefühl sie überwältigte.
Nicholas öffnete die Tür zu Kits Schlafzimmer und ließ die beiden Männer herein, die angeklopft hatten. Oberst Stevensons Fragen waren rein oberflächlicher Art. Er ignorierte Christopher Hatton und wandte sich an Nicholas. »Erzählen Sie mir, was geschehen ist.«
Nick sah dem Oberst offen in die Augen. »Da war ein Hirsch, und ich dachte, ich hätte ihn klar im Visier. In dem Augenblick, als ich abdrückte, ritt Vater genau in meinen Weg.«
Der Oberst hielt ihm ein Gewehr hin. »Gehört diese Heylin-Pistole Ihnen?«
Nick zögerte nicht. »Jawohl, Sir.«
Der Oberst nickte Lord Staines zu, der die Todesurkunde mitgebracht hatte. Neville schrieb Unfall als Todesursache darauf, dann unterschrieb er sie in seiner Eigenschaft als Coroner des Gebietes, Oberst Stevenson setzte seine Unterschrift als Zeuge darunter und beendete die gesetzlichen Formalitäten. In kürzester Zeit war die Angelegenheit geregelt. Die Herren sprachen den Zwillingen ihr Beileid aus, dann gingen sie.
Die Mitglieder der Oberschicht waren geschickt darin, ihr eigenes Chaos aufzuräumen, was regelmäßig geschah. Äußerlichkeiten waren der Gesellschaft äußerst wichtig und hatten Vorrang vor allem anderen. Nachdem die gesetzlichen Dinge erst einmal geregelt waren, würden Klatsch und Mutmaßungen in der beau monde um sich greifen wie ein Lauffeuer. Die Oberklasse war diesem Blutsport verfallen.
Nachdem Stevenson und Staines gegangen waren, fragte Kit: »War das alles? Ist es vorüber?«
»Die gesetzlichen Dinge sind wahrscheinlich erledigt, aber es gibt noch eine ganze Anzahl von Dingen, die geregelt werden müssen, z. B. die Beerdigung...«
Kit schrak zurück. »Ich kann mich damit nicht beschäftigen!« Er ging zum Schrank und füllte ein Glas mit Whiskey.
»Wir müssen den Dingen ins Auge sehen«, drängte Nick. »Wir müssen nach unten gehen und nachsehen, was sie mit
Vaters Leiche gemacht haben. Und wir können die Gäste nicht einfach so ignorieren.«
Kit nahm drei große Schlucke von seinem Whiskey. »Die Diener sollen sich um die Gäste kümmern.«
»Die Leute, die für uns arbeiten, werden auch überwältigt sein. Sie werden sich an uns wenden, damit wir sie anleiten.«
Kit hob den Blick von seinem Glas und sah seinem Bruder in die Augen. »Ich zittere noch immer. Da du so kühl und ruhig bist, kannst du ihnen ja sagen, was sie zu tun haben.«
Nick warf seinem Zwillingsbruder einen verächtlichen Blick zu, während er ihm zusah, wie er erneut das Glas an die Lippen hob. Kit hatte Henry Hatton verachtet, dennoch besaß er viele seiner Schwächen. Viel zu oft betrank er sich besinnungslos. Nick rieb sich den angespannten Nacken. Vielleicht erwartete er zu viel von seinem Bruder. Dieser war Schuld am Tod seines Vaters, und das Schuldgefühl brachte ihn beinahe um. Kit würde Zeit brauchen, um mit all dem fertig zu werden. »Ich werde nach unten gehen und die Dinge regeln.«
Lord Staines klopfte an der Tür von Lady Longfords Zimmer und trat ein. »Es ist genauso, wie wir befürchtet haben, meine Liebste. Der Unfall war tödlich. Der Schuss hat Henry direkt ins Herz getroffen. Ich habe gerade die Todesurkunde unterschrieben.«
»Nun, es ist ein Wunder, dass er nicht schon vor Jahren erschossen worden ist. Wer hat ihn denn erschossen? War es Annabeiles Ehemann?«, fragte sie geradeheraus.
»Dottie, meine Liebste, ich werde mich niemals an die schrecklichen Dinge gewöhnen können, die du aussprichst.« Er griff nach ihrer Hand, als wolle er die Nachricht abschwächen. »Hatton wurde bei einem Unfall von seinem eigenen Sohn erschossen.«
Ihre Hand ging zu ihrem Hals. »Doch nicht von Christopher?«
»Nein, es war nicht sein Erbe, es war Nicholas. Es ist wohl besser, wenn ich jetzt in das Gerichtsgebäude gehe und die Todesurkunde selbst dorthin bringe. Ich möchte, dass alles in Ordnung ist und nichts unerledigt bleibt, das ist alles, was ich
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