Gefährliche Enthüllung (German Edition)
Wehr zu setzen. Pete verzog keine Miene, nahm aber nun seinerseits die Frau ihm gegenüber genauer ins Visier.
Die Haare, sorgfältig aus dem Gesicht gestrichen, hingen ihr lose um die Schultern und schimmerten seidig im Licht der Lampe. Dr. Anne Morrow trug einen Herrenschlafanzug,der ihr zu groß war. Die Beine hatte sie umgekrempelt und die Ärmel hochgerollt. Kein Make-up. Dennoch sah sie nicht nackt und verwundbar aus wie die meisten ungeschminkten Frauen, sondern einfach nur sauber, gewaschen und frisch.
Ihre Augen waren leuchtend blau, und sie hielt seinem Blick problemlos stand, als wollte sie seine Gedanken erforschen.
„Ja“, beantwortete er schließlich ihre Frage.
„Dachte ich mir. Entweder Sie reiten, oder Sie fahren Motorrad. Kommen Sie sich nicht seltsam vor, wenn Sie eine Waffe tragen?“
„Nein.“
„Was wissen Sie über Totenmasken?“
„Nicht viel.“ Sie bombardierte ihn mit Fragen, als hätte er ein Vorstellungsgespräch zu bestehen, und er beschloss, sich auf ihr Spiel einzulassen. Vielleicht trug das dazu bei, dass sie ihm ihr Vertrauen schenkte. Schaden konnte es jedenfalls nicht. Schließlich würde er ihr nichts erzählen, was sie aus seiner Sicht nicht wissen sollte.
„Und über Echtheitsprüfungen von Kunstwerken?“
„Genauso wenig.“
„Einen Diné-Häuptling des neunzehnten Jahrhunderts namens Stands Against the Storm?“
„Nicht mehr als das, was Marshall mir heute Morgen zugefaxt hat.“
„Haben Sie es gelesen?“
„Natürlich.“
Sie musterte ihn nachdenklich. „Wo sind Sie zur Schule gegangen?“
Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
Annie registrierte die Bewegung genau. Während die meisten Leute nur ungern ihre Unwissenheit zugaben, hatte es ihm nicht das Geringste ausgemacht, ihr zu sagen, dass er nur wenig über die Analyse von Kunstwerken wusste. Aber diese persönliche Frage, diese Frage zu seinem persönlichen Hintergrund, war ihm unangenehm. Woran mag das nur liegen?
„New York University“, sagte er.
Laut dem Lebenslauf, den die CIA für Peter Taylor ausgearbeitet hatte, war er vier Jahre lang auf die New Yorker Universität gegangen. Tatsächlich war er in dieser Zeit nicht ein einziges Mal in New York gewesen. Aber er hatte schon so oft und bei so vielen Einsätzen Peter Taylor gespielt, dass er sich beinahe an den imaginären Unterricht erinnern konnte …
„Ist Ihnen bekannt, dass derzeit das FBI und die CIA gegen mich ermitteln?“, fragte sie. Dabei ließ sie ihn keinen Moment aus den Augen.
Die Unverblümtheit ihrer Frage überraschte ihn und brachte ihn für einen Moment aus dem Konzept. Kurz wandte er den Blick ab.
„Sie glauben, ich gehöre zu einer Art internationaler Bande von Kunstdieben“, fuhr sie fort.
Er schaute auf und sah die Andeutung eines Lächelns auf ihren Lippen. „Stimmt es?“
Gut reagiert, dachte Annie. Offensichtlich weiß er von den Ermittlungen. Jede Wette, dass er sich sehr genau über sie informiert hatte, bevor er von New York hierhergekommen war. Das überraschte sie nicht im Geringsten. Marshall hätte niemals jemanden angeheuert, der nicht hervorragend in seinem Fach war.
„Haben Sie Hunger?“, fragte sie, erhob sich von der Treppenstufe,streckte sich und reckte die Arme dabei weit über den Kopf. Seine Frage beantwortete sie nicht. „Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, und wenn ich nicht bald etwas zwischen die Zähne bekomme, verhungere ich.“
Ihre Schlafanzughose saß lose und tief auf ihren schmalen Hüften. Petes Blick fiel unwillkürlich auf das Stück nackte Haut, das zwischen dem Oberteil und dem lose sitzenden Hosenbund hervorlugte, als sie sich streckte. „Ich habe schon gegessen, danke“, sagte er. „Außerdem übernimmt Mr Marshall meine Spesen. Es wäre nicht fair, Sie für mich bezahlen zu lassen. Zumal Sie mich nicht einmal hier haben wollen.“
„Das richtet sich nicht gegen Sie persönlich“, erklärte Annie, wandte sich um und ging die Treppe hinauf Richtung Küche.
„Ich weiß“, gab er zurück und folgte ihr nach oben.
Sie schaltete das Licht in der Küche ein, öffnete den Kühlschrank, nahm einen Apfel aus dem Gemüsefach und ging damit zur Spüle, wo sie ihn rasch wusch und mit einem Handtuch abtrocknete.
Die Küche war klein. Sie bot gerade genug Platz für einen Ecktisch und eine Arbeitsplatte mit Spüle, Herd, Kühlschrank und Geschirrspüler. Die vorherrschenden Farben waren Schwarz und Weiß, der Fliesenboden in einem
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