Gefährliche Enthüllung (German Edition)
zusammengewachsen sind. Er sah so aus, als hätte er seit mindestens zehn Jahren keine Dusche und keinen Rasierer mehr benutzt. Und dünn war er. Nein, mehr als das: rappeldürr. Hohlwangig. Außerdem hatte er gelbe Augen und schwarze Krallen an seinen … Pfoten.“
„Pfoten“, wiederholte Pete ausdruckslos.
„Habe ich seine Hauer erwähnt? Er hatte richtige Hauer, spitze Fangzähne. Ein komplettes Raubtiergebiss.“
Er seufzte, wandte sich von ihr ab und starrte durch die Windschutzscheibe nach draußen. „Sind Sie sicher?“, fragte er schließlich und schaute sie wieder an. Aber noch während er die Frage formulierte, sagte ihm ihr entschlossener Gesichtsausdruck, dass sie sicher war und genau meinte, was sie gesagt hatte.
„Ja, ich bin sicher. Ich habe einen Blick für Details, und ich kann sie mir merken. Das ist mein Job. Das ist das, was ich tue. Und wissen Sie, Taylor, Details wie ein Raubtiergebiss und Pfoten vergisst man nicht so leicht.“ Sie zählte weitere Einzelheiten auf und nahm dabei die Finger zu Hilfe. „Außen hatte der Wagen eine stumpfgraue Farbe, die Innenausstattung war beige. Vinylsitze. Sein Rückspiegel hatte in der oberen rechten Ecke einen Sprung, und der Fahrer hatte richtige Hauer. Sein äußerer linker Schneidezahn war kürzer gefeilt als die anderen Zähne. Er hatte einen kleinen Leberfleck nahe der linken Augenbraue. Die rechte Gesichtshälfte konnte ich nicht wirklich sehen. Wahrscheinlich war sie ebenso von Haaren überwuchert wie seine linke Gesichtshälfte.“
Taylors Augenbraue zuckte einen Millimeter nach oben. „Noch etwas?“
„Seine Waffe war nicht echt.“
Er kniff leicht die Augen zusammen. „Das ist schwer zu erkennen“, wandte er ein, „selbst für Menschen, die Details sehr gut wahrnehmen.“
„Dieses Detail war irgendwie unübersehbar“, meinte Annie. „Die Waffe war orangefarben.“
Sie lächelte ihn frech an, und ihre Augen funkelten belustigt. „Es war eine Wasserpistole, Taylor. Das Einzige, was mir gefährlich werden konnte, waren Sie. Und der Schalthebel.“ Sie rieb sich die Rippen. „Das gibt bestimmt einen ganz tollen blauen Fleck. Hätte ich gewusst, dass Sie so reagieren, hätte ich die Erwähnung der Waffe ein wenig anders gestaltet.“
Sie beschrieb Taylor kurz die blutähnliche Flüssigkeit, die der Mann gegen die Scheiben seines Wagens gespritzt hatte. „Wahrscheinlich war das nur ein Zufall“, meinte sie schließlich. „Wir haben bald Halloween. Wahrscheinlich hatte das Ganze überhaupt nichts mit mir zu tun.“
„Ich glaube nicht an Zufälle.“
„Und ich glaube nicht an Werwölfe, Geister oder Hexen“, sagte Annie. „Ich bezweifle wirklich, dass der Geist von Stands Against the Storm einen grauen Volvo fährt. Und keine Diné-Hexe, die etwas auf sich hält, wird an einem Samstagnachmittag den Südwesten verlassen, geschweige denn in Wolfsgestalt auf den Highways rund um New York City herumfahren. Wenn das kein Zufall war, dann würde ich alles darauf wetten, dass jemand sich sehr große Mühe gibt, den Eindruck zu erwecken, die Diné steckten hinter den Todesdrohungen. Aber wenn das stimmt, stellt sich eine noch viel schwierigere Frage. Nämlich: warum?“
Jerry Tillet war im Büro. Er saß auf der Kante von Annies Schreibtisch und lächelte Cara an.
Seine rötlichen Haare waren lang geworden. Er hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein dichter Bart überwucherte die untere Gesichtshälfte. Auf dem Kopf trug er eine abgewetzte Baseballkappe mit dem Emblem der Red Sox. Seine tief gebräunte Haut war sonnenverbrannt, und seine Kleidung sah aus, als sei sie seit Wochen nicht mal mehr in die Nähe einer Waschmaschine gekommen.
„Kann man es wagen, sich dir auf der windabgewandten Seite zu nähern, Professor?“, fragte Annie von der Tür aus. „Was sich da unter dieser Unmenge von Haaren verbirgt, bist doch du, Tillet, oder etwa nicht?“
„Hallo, Doc“, gab Jerry gut gelaunt zurück. „Cara hat alles über die bösen Geister erzählt. Die reinste Horrorstory. Wo also ist dein kleiner Schatten?“ Sein Blick wanderte über Annies Schulter hinweg, und er korrigierte sich: „Dein großer Schatten.“
Annie drehte sich um und stellte fest, dass Pete hinter ihr stand. Sie stellte die beiden Männer einander vor: „Peter Taylor, Jerry Tillet.“ Pete lehnte sich an ihr vorbei, um Jerry die Hand zu schütteln, und sie spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging.
Warum wehre ich
Weitere Kostenlose Bücher