Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.“
Die Auswirkungen der ersten Gutachten sind meist weitreichend, denn gerade bei langen Strafen folgt in der Regel eine Reihe weiterer Begutachtungen. Kommt der Verurteilte in Haft, wird er spätestens vor der Bewilligung von Lockerungen erneut begutachtet. Dieses Gutachten soll Aussagen über seine Zuverlässigkeit für den Fall geben, dass er die Erlaubnis erhält, stunden- oder tageweise ohne Begleitung das Gefängnis zuverlassen. Der mit diesem Auftrag beschäftigte Gutachter hat neben dem Zugang zum Verurteilten auch Einsicht in die bisher vorhandenen Akten.
Nicht selten wird der Sachverständige des ersten Gutachtens erneut beauftragt, etwa wenn es darum geht, dass der Gefangene aus der Haft entlassen werden könnte, die Sicherungsverwahrung beginnen würde oder er aus dieser entlassen werden soll. Nach meiner Erfahrung bezieht sich jeder weitere Gutachter in vielen Punkten auf die Vorgutachten. Inhaftierte erleben es, dass sie mehrere Gutachten nebeneinander besitzen, die sich nur unwesentlich oder überhaupt nicht unterscheiden. Die Einschätzungen und Beschreibungen der Gutachter entwickeln sich so zu einer Art eigenständiger Fakten aus dem Leben des Betroffenen.
Bei Ludwig Roser stellt der Gutachter fest: „Jeder Gutachter macht irgendwann in seinen Arbeiten Fehler, indem er Tatsachen verwechselt, nicht in die richtige Reihenfolge bringt oder übersieht. Gelegentlich führen solche Verwechslungen zu fehlerhaften Schlussfolgerungen. Verantwortungsvollen Adressaten von Gutachten sollten jedoch solche Fehler auffallen, sie sollten dem Gutachter die Möglichkeit geben, Tatsachen und Schlussfolgerungen richtigzustellen. Dies war jedoch im konkreten Fall nicht geschehen und hat zweifelsohne zur Verbitterung, zum Gefühl der eigenen Ohnmacht und zur resignativen Querulanz bei Herrn Roser beigetragen.“ 26
Verändern Sie Ihre Vergangenheit?
Die Fakten in Gutachten müssen nachvollziehbar sein. Fakten liegen in der Vergangenheit, sie verändern sich nicht. Gutachter sprechen hier von statischen Faktoren. Oder einfach ausgedrückt: Alles, was ich bis vor ein paar Momenten getan, erlebt habe, ist Teil meines Lebens und lässt sich nicht mehr ändern. Zugleich sind wir Menschen dynamische Individuen und können uns ändern. Auch Lebensumstände, die Gesellschaft, letztlichalles, was zukünftig vor mir liegt, ist dynamisch und veränderbar.
Gutachter versuchen, aus dem vergangenen Geschehen auf die Zukunft zu schließen. Wenn Versicherungen Prognosen berechnen, kommt es ihnen darauf an, die Versicherungsprämie angemessen hoch zu errechnen, damit erwartbare Schadenszahlungen geleistet werden können und die Gewinnerwartung erhalten bleibt. Kriminalprognostische Gutachten haben den Auftrag, im konkreten Einzelfall einen konkreten Schadensfall vorauszusagen oder auszuschließen. Ich gehe davon aus, dass die Prämie für diesen Einzelfall bei einer Versicherung sehr hoch wäre, weil die Vergangenheit den Einzelfall nicht prognostizierbar macht.
Wenn es doch den „Minority Report“ gibt?
Beim Umgang mit Prognosen kommt es nicht zuletzt auf die eingenommene Perspektive an. Anschaulich hat Steven Spielberg im Film „Minority Report“ 27 unterschiedliche Perspektiven ins Bild gesetzt: Die Polizei hat in einer zukünftigen Gesellschaft das System „Pre-Crime“ entwickelt, mit dem sie Morde vorhersagen kann, bevor sie begangen werden. Sobald das System eine entsprechende Prognosewarnung gibt, kommt eine Spezialeinheit vor Ort, nimmt den zukünftigen Täter vor Begehung des Mordes fest und macht ihn unschädlich, indem dieser „eingefroren“ wird.
Eine beruhigende Perspektive, wenn Sie die Position eines durchschnittlichen Bürgers einnehmen, oder gar, wenn Sie oder ein Ihnen verbundener Mensch das Opfer wären, welches mit diesem System vor Schaden bewahrt wird.
So sieht es auch Tom Cruise in der Rolle des Leiters dieser Polizeieinheit. Er ist der Held, der die Stadt und Gesellschaft vor Morden bewahrt. Es gibt keine Morde mehr. Und das geht solange gut, bis das System den Helden selbst als Mörder prognostiziert. Der kann das nicht glauben, versucht, die Wurzelndes Systems zu ergründen, und findet heraus, dass es in vielen Fällen, in denen er die Noch-nicht-Täter dem Einfrieren zuführte, einen „Minority Report“ gibt. Das System ist nicht fehlerlos, hat Zweifel. Aber aus unterschiedlichen Gründen, wurden diese Zweifel
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