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Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung

Titel: Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Asprion
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    Vergleiche ich die Aufmerksamkeit, die Straftaten in Medien und bei Politikern bekommen, mit diesen Zahlen, wundere ich mich schon. Offensichtlich unterscheidet die Mehrzahl der Deutschen rational, wovor sie Angst haben könnte oder sogar müsste.
    Im Alltag finden wir unterschiedliche Lösungen für unsere vermeintlichen Risiken. Manche vermeiden wir, indem wir beispielsweise keine Risikosportart betreiben, nicht rauchen oder nicht fliegen. Die meisten der „alltäglichen“ Risiken nehmen wir hin und leben damit. Oder wir versichern uns gegen die Folgen des Risikos.
    Nur bei den wenigen, uns gefährlich scheinenden Mitmenschen sind wir kaum bereit, deren Anwesenheit zu ertragen. Sie werden dämonisiert und aus dem gesellschaftlichen Leben weggesperrt, mit dem Aberglauben, dass „das Böse“ dann weg sei. Wir haben Instrumente erfunden, die erkennen lassen sollen, von wem Gutes oder Böses ausgeht oder ausgehen wird.
    Die Methoden der Vorhersage haben sich im Lauf der Menschheitsgeschichte verändert. So glaubten die Naturvölker noch an Himmelszeichen, die alten Römer an die Lage der Innereien von Tieren, die Griechen an ihr Orakel in Delphi. Der italienische Arzt Cesare Lombroso entwickelte gar gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Idee, von der Schädel- und Gesichtsform der Menschen auf deren Charakter- und Verhaltenseigenschaften zu schließen; er schuf eine „Wissenschaft“ der Typologie von Verbrechern und entdeckte den „geborenen Verbrecher“.
    Auch wenn Politiker und Kriminologen immer wieder beteuern, dass es die hundertprozentige verbrechensfreie Gesellschaft nicht gibt, wird doch immer wieder suggeriert, dass es vielleicht irgendwie doch möglich wäre, eine schöne, neue Welt ohne „das Böse“ zu erschaffen. Ein rationaler Umgang mit Verhaltensabweichungen wird so verhindert. Im Zusammenhang mit der Regelung der Sicherungsverwahrung wurden sogar grundlegende Pfeiler unseres Rechtssystems aufs Spiel gesetzt.

Der Blick in die Kristallkugel
    „Prognosen sind schwierig,
    besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“

    zugeschrieben Mark Twain, Karl Valentin, Winston Churchill

    Nehmen Sie morgens einen Schirm mit, wenn Sie aus dem Haus gehen, oder gehen Sie das Risiko ein, unerwartet im Regen zu stehen? Kaufen Sie Aktien, oder legen Sie Ihr Vermögen in Gold oder Immobilien an? Reicht Ihnen die Prognose des vernachlässigbaren Restrisikos, oder suchen Sie einen Wohnort in maximaler Entfernung zu einem Kernkraftwerk? Auch wissenschaftlich begründete Prognosen erweisen sich nicht selten als falsch. Die heute so wichtigen Rating-Agenturen bestätigten der amerikanischen Firma Enron noch bis wenige Tage vor deren Zahlungsunfähigkeit eine hervorragende Bonität.
    Es ist verständlich, dass wir gerne wüssten, was auf uns zukommt, um uns vor Risiken zu schützen. Nur, wenn das in angeblich klaren naturwissenschaftlichen Zusammenhängen, wie Wetterberichten oder der Wirtschaftsmathematik, nicht funktioniert, wie soll es dann bei Vorhersagen über menschliches Verhalten möglich sein? Auch wenn Psychologie und Hirnforschung Fortschritte erzielt haben mögen, scheint es doch in weiter Ferne, menschliches Verhalten zutreffend voraussagen zu können. Auf Aussagen kriminalprognostischer Gutachten stützen sich aber die wesentlichen Maßnahmen, die unser Staat ergreift, um uns vor schweren Straftaten zu schützen.
    Sowohl Gerhard Kraus als auch Ludwig Roser wurden anlässlich ihrer Verurteilung zur Sicherungsverwahrung kriminalprognostisch begutachtet. Für Gerhard Kraus fasst der damaligeGutachter seine Ergebnisse so zusammen: „(…) ist in extrem ungünstigen Verwahrlosungsverhältnissen aufgewachsen. Der Vater gilt als notorischer Trinker, er ist außerdem mehrfach erheblich vorbestraft, auch die Mutter wird als Alkoholikerin bezeichnet, soll erzieherisch völlig unfähig gewesen sein und den Haushalt vernachlässigt haben. (…). Er war Bettnässer bis zum 12. oder 13. Lebensjahr, absolvierte trotz ausreichender Intelligenz mit Mühe die Hilfsschule, befand sich lange in Heimerziehung, wo er überwiegend ungünstige Beurteilungen erhielt und von wo er fast nur Disziplinarverstöße und Eigentumsdelikte in Erinnerung behalten hat. Mehrfach wurde der massive Störer psychiatrisch untersucht, 1962 dem Landesjugendamt vorgestellt, 1964 von Prof. Dr. *** als durchschnittlich intelligenter Psychopath mit neurotischen Zügen bezeichnet, 1966 im PLK *** begutachtet, wo man

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