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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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augenblicklich aus der Fassung.
    Erschrocken hielt Luke die Luft an und sah sich ängstlich um, als fürchte er, dass jemand ihn anschreien würde. Doch es war niemand in Sicht, und wer würde ihn schon für einen kaputten Türgriff schelten, wo die ganze Regierung zusammengebrochen war?
    Luke steckte den Knauf wieder in die Tür und drückte sie vorsichtig auf. Das Zimmer hatte keine Fenster und es brannte kein Licht. Doch durch die offen stehende Tür fiel genug Licht, um zu erkennen, wie sehr sich der Raum verändert hatte, seit er das letzte Mal hier gewesen war. Der Mahagonischreibtisch, der das ganze Zimmer beherrscht hatte, war an die Wand geschoben worden, um Dutzenden von Postern und Plakaten Platz zu machen, die an den Wänden lehnten. Eines der Plakate in Lukes Nähe zeigte ein Baby mit einer großen 3 auf der Brust. Luke verschob das Bild ein wenig, damit er lesen konnte, was darunter stand: ER IST DER GRUND, WARUM DU HUNGERN MUSST.
    Luke wandte sich ab und entdeckte ein weiteres Plakat mit einigen griesgrämigen Gestalten und den Worten HÜTE DICH VOR SCHATTENKINDERN. Ein anderes zeigte einfach nur einen Mann und eine Frau, zu deren Füßen zwei Kinder spielten, während ein drittes hinter der Frau hervorlugte. In riesengroßen Lettern prangte quer über der Szene der Satz: DIE SCHLIMMSTEN VERBRECHER VON ALLEN. Ein weiteres Plakat, das eine ähnliche Familie zeigte, trug die Überschrift: SIE SIND AN ALLEM SCHULD.
    Luke sank erschüttert auf den Boden und schlug die Hände vors Gesicht. Kopfschüttelnd stöhnte er: »Nein, nein …«
    Er erinnerte sich daran, dass Jen ihm von Plakaten wie diesen erzählt hatte. Propaganda, hatte sie sie genannt. Von der Regierung unters Volk gestreute Lügen. Plakate wie diese hingen in Bahnhöfen und an Reklametafeln, auf allen möglichen öffentlichen Plätzen, hatte sie erzählt. Damals hatte Luke die Farm seiner Eltern noch nie verlassen. Er hatte noch nie einen Bahnhof oder eine Reklametafel gesehen; er hatte keine Ahnung, was ein öffentlicher Platz war. Im Grunde hatte er nicht einmal genau gewusst, was ein Plakat war. Seitdem war er zumindest ein wenig herumgekommen: von seinem Elternhaus bis zur Hendricks-Schule, zum Anwesen der Grants, dem Gefangenenlager der Bevölkerungspolizei und nach Chiutza. Ein kleines, eng umrissenes Gebiet; zudem hatte er jede dieser Reisen in einem Zustand von Schock und Angst unternommen. Zum Sightseeing war keine Zeit gewesen. Er hätte an Millionen von Plakaten vorbeikommen können, ohne es zu merken, weil er immer viel zu sehr mit dem Aufruhr in seinem eigenen Kopf beschäftigt gewesen war. Deshalb hatte er den Hass nie gespürt, der von Plakaten wie diesen ausging – Hass, der gegen ihn gerichtet war.
    Kein Wunder, dass er sich außerstande fühlte aufzustehen, aus dem Zimmer zu schleichen und die Tür hinter sich zuzumachen.
    Die sind alt, redete er sich ein. Die Bevölkerungspolizei hat hier ihre Plakate aufbewahrt, als sie noch an der Macht war. Aber das ist sie nicht mehr. Also sollten auch die Plakate keine Macht mehr über mich haben.
    Trotzdem blieb er von Verzweiflung gepackt sitzen, umgeben von den wüsten Anklagen auf den Plakaten, gefangen in seiner eigenen Angst.
    Luke wusste nicht, wie lange er so dagesessen hatte – vielleicht Minuten, vielleicht auch Stunden. Selbst als er Schritte näher kommen hörte, rührte er sich nicht.
    Dann hörte er jemanden fluchen und losbrüllen:
    »Was hat das zu bedeuten?«

 
25. Kapitel
     
    Die Stimme kam von draußen. Noch ehe er die Worte richtig begriffen hatte, gewannen Lukes Reflexe die Oberhand.
    Versteck dich! Versteck dich!, schrie es in seinem Kopf, wie ein Alarmsystem auf höchster Gefahrenstufe. Er erwog, sich hinter den Mahagonischreibtisch zu quetschen, doch der stand direkt gegenüber der Tür, durch die die wütende Person jeden Moment hereinkommen konnte. Luke huschte in die dunkelste Ecke des Raums und kroch hinter einen Stapel Plakate, der an der Wand lehnte. Das Plakat über ihm wackelte und ein Schreckensbild erschien vor seinem geistigen Auge: Wenn er nun die Plakatständer umwarf und sie alle zu Boden fielen? Man würde ihn mit Sicherheit entdecken. Er streckte die Hand aus und rückte das Plakat zurecht, riss die Hand aber sofort zurück, als der ganze Raum in Licht getaucht wurde. Selbst hinter den vielen Plakaten konnte Luke die Schatten dunkler Schuhe erkennen, die ins Zimmer stürmten.
    »Geben Sie mir Melton«, knurrte die Stimme jetzt.
    Die Tür

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