Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
passiert war, deswegen würde ich versuchen, mir nichts anmerken zu lassen. Ich wischte mir eine Strähne aus dem Gesicht, die mir an der Wange klebte, und ging aufrecht auf ihn zu. Er musterte mich fragend und klappte den Mund auf, als ob er was sagen wollte.
»Es ist alles in bester Ordnung«, sagte ich mit bebender Stimme, ließ ihn ratlos stehen und ging einfach weiter zu unserem Auto. Ich ließ mich auf die Rückbank fallen, knallte die Tür zu und schloss die Augen. Mein Bedarf an Aufregung war für heute mehr als gedeckt. Ich wollte nur noch nach Hause.
Dort legte ich mich in die Badewanne und dachte nach. Wenn Pascal und seine Mutter mit Lauras Tod nichts zu tun hatten, wer war es dann? Nora? Oder doch Lauras Vater? Das Klingeln meines Telefons riss mich aus den Gedanken. Justus teilte mir das Display mit. Ich zögerte mit dem Abheben. Warum? Ich müsste doch auf Wolke sieben schweben. Er war so ein toller Junge. Sah gut aus, war süß und in mich verliebt. Und ich hatte ihn geküsst. Weil ich ihn viel lieber mochte als Enzo. Enzo, ob Nazi oder nicht, war definitiv der falsche Mann für mich. Justus war der richtige. Er war der beste Kerl der Welt. Und der Kuss war schön gewesen. Doch, wirklich. Daran könnte ich mich gewöhnen. Und trotzdem hatte ich nicht die geringste Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Und hatte noch nicht mal einen besten Freund, den ich jetzt um Rat fragen konnte. Vertrackter Mist. Sonst spreche ich ja gerne alles direkt an, aber diese Angelegenheit war zu delikat. Und zu neu. Und kompliziert. Und mit Justus’ Gefühlen würde ich definitiv vorsichtiger umgehen als mit denen von Enzo. Justus redete schon eine ganze Weile auf den Anrufbeantworter, als ich doch ranging. Damit wir nicht über gestern Abend reden mussten, sprudelte ich los und berichtete von meinem Erlebnis und Justus war entsetzt und fing wieder an mit diesem Unsinn, ich sollte mich nicht in Gefahr bringen.
»Hör auf damit, mich zu bemuttern wie dieser beknackte Enzo«, erwiderte ich bissig.
»Hey, Nats, ganz ruhig. Ich mache mir nur Sorgen um dich.«
»Brauchst du aber nicht«, motzte ich. Ich wollte eigentlich nett sein, aber ich war total auf Krawall gebürstet. »Ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen«, teilte ich ihm mit und legte auf. Alte Schabe, das war nicht besonders feinfühlig gewesen. Ich schickte ihm eine SMS. »Wollte dich nicht verletzen. Bin irgendwie gestresst. Melde mich morgen. Nats.«
Und was schrieb er zurück? Mir wurde flau im Magen. Seine Nachricht bestand aus einem Foto. Von einer roten Rose. Und das hieß nun mal in Blumensprache: Ich liebe dich über alles. Ich legte das Handy weg, hielt die Luft an und tauchte unter Wasser. Und dann, ganz plötzlich, hatte ich das Bild vor Augen von Laura in dem Biolabor. In aller Schärfe. Zum ersten Mal konnte ich mir genau die Blumen heranzoomen, die vor ihren Füßen auf dem Boden gelegen hatten. Blitzartig fuhr ich hoch, trocknete mich ab, schlüpfte in meinen Kuschelbademantel und lief zum Computer. Bildersuche. Aster. Und dann Bildersuche Dahlie. Und dann, auf der fünften Seite mit Bildern von verschiedenen Dahlien hatte ich sie: die Blumenzüchtung, die Laura gewählt hatte, um ihrem Exfreund eine Nachricht zu schicken. Es war also doch eine Dahlie gewesen, keine Aster. Und Dahlie hieß in der Blumensprache: Ich bin schon vergeben. Das war der Grund gewesen, warum Laura mit Pascal Schluss gemacht hatte. Weil sie einen anderen hatte.
Abends um elf hörte ich den Wagen meines Vaters in der Einfahrt. Ich ging runter. »Hallo Püppchen, so spät noch auf?«, sagte er und legte seine Schlüssel auf die Anrichte.
»Ja, Paps. Ich muss dich was fragen.«
»Hat das nicht Zeit bis morgen? Ich bin total erledigt.«
Ich schaute ihn nur an. Er lachte, streichelte mir über die Wange. »Schon klar, Püppchen. Dann komm mal mit.« Wir setzten uns in die Küche und machten uns schnell eine warme Milch mit Honig. »Paps? Ist Enzo ein Nazi?«
»Ach«, machte er. Ich sah ihn gespannt an. Er schüttelte langsam den Kopf: »Nein. Natürlich nicht.« Dann erzählte er mir die Geschichte, die ihm sein Freund Klaus, der Chef der Sicherheitsfirma, berichtet hatte. Enzos Vorgesetzter bei der Polizei hatte ihm die Freundin ausgespannt und ihn monatelang damit aufgezogen und vor allen Kollegen gedemütigt. Und dann kam die Demo, bei der es für Enzo sowieso schwer war, einzusehen, dass er die Neonazis vor den Gegendemonstranten schützen sollte, verkehrte
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