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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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weg und zweitens war ich wie gelähmt. Und drittens hatte er eine Pistole. Und er hatte schon einmal gemordet und würde es wieder tun. Ich schluckte.
    »Wo gehen wir denn hin?«, fragte ich und meine Stimme klang wie die einer Comicfigur, hoch und dünn und pfeifend, als hätte ich Helium eingeatmet. So fühlte ich mich auch. Als würde mir der Sauerstoff wegbleiben. Als würden mir gleich die Beine einknicken wie zwei Strohhalme.
    »Wir gehen dort hinein.« Er zeigte auf den Raum neben dem Musikzimmer, dessen Tür mit Lederpolsterung beschlagen war. Das Studio.
    »Aber warum denn?«, fragte ich schrill.
    »Da kann uns keiner hören. Das Ganze muss doch unter uns bleiben, nicht wahr?«
    Ich nickte. Ich Schwachkopf. Niemand würde mit mir Mitleid haben, weil ich nicht nur viel zu neugierig und dreist gewesen war, sondern auch noch so saudoof, meinem Mörder direkt in die Arme zu laufen. Und dann hatte ich noch nicht mal eine perfekte Frisur.
    Pascal zeigte mit seiner freien Hand auf die Tür, mit der anderen hielt er die Pistole in seiner Tasche fest. Mein Hirn ratterte, um einen Ausweg zu finden, aber meine Gedanken drehten sich immer nur darum, wie dämlich ich war. Das half mir leider gar nichts. Also ging ich vor meinem Musiklehrer in den Raum, der eigentlich für Musikaufnahmen eingerichtet worden war. Er folgte und schloss die Tür hinter mir. Hier drin war es eigentümlich still und ziemlich dunkel, nur eine Neonröhre flackerte in einer Ecke und verstärkte die gespenstische Atmosphäre. Ich musste hier raus! Ich sagte wieder mit dieser fremden eigenartigen Stimme: »Ich muss nur schnell meinem Chauffeur Bescheid sagen, dass es was später wird. Sonst wird er misstrauisch und ruft die Polizei.«
    Pascal von Cappeln blickte mich mitleidig an. Ich fasste das als Einverständniserklärung auf. Mit schweißnasser Hand holte ich mein Handy heraus. Aber als ich es eingeschaltet hatte, höhnte es mir entgegen: Kein Netz. Scheiße. Deswegen war er so ruhig geblieben. Deswegen hatte er mich überhaupt hierhergebracht. In den schalldichten Raum. Wir waren von der Außenwelt abgeschnitten. Ich konnte niemanden erreichen. Ich konnte schreien, wie ich wollte, es würde keiner hören. »Es wird nicht lange dauern«, sagte Pascal.
    Ich schluckte. »Das kann ich mir denken.«

36
    Er machte einen Schritt auf mich zu, holte die Pistole aus der Tasche, die… sich als schmales schwarzes Schmucketui entpuppte. Was sollte das denn? Hatte er da etwa ein rasierklingenscharfes Messer drin, mit dem er mich…
    »Das hier wollte ich ihr schenken«, sagte Pascal mit brüchiger Stimme. Er klappte das Etui auf und holte eine Uhr heraus, schmal und golden. »Hier, sieh mal.« Er zeigte mir die Rückseite, auf der »Laura & Pascal« eingraviert war und ein Herz.
    »Schön«, sagte ich verwirrt.
    »Sie war wirklich etwas Besonderes. Wenn sie Geige spielte oder sang, dann sah sie aus wie ein Engel.« Er seufzte.
    »Ja, prima«, sagte ich. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Ich habe sie so geliebt.« Er schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte auf. Es waren nur zwei Meter bis zur Tür. Renn, Natascha! Lauf! JETZT! Aber anstatt einmal vernünftig zu sein, machte mein Mund mal wieder, was er wollte. »Und was passierte dann?«, fragte ich. Neugier siegt bei mir eben immer über Vernunft.
    »Sie hat Schluss gemacht. Ganz plötzlich. Wollte nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    »Aber warum?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte er. »Sie hat nur gesagt, sie kann das nicht mehr. Ich bin bald verrückt geworden.«
    »Und Sie wollten sie nicht gehen lassen.« Ich brachte es nicht über mich, ihn weiter zu duzen. Dazu war er viel zu… bizarr.
    »Nein«, sagte er. »Weil ich es nicht verstanden habe. Weil sie gesagt hatte, dass sie mich auch liebt. Als sie Schluss gemacht hatte, sagte ich ihr, ich würde auf sie warten, bis sie volljährig ist. Das wäre in einem halben Jahr gewesen.«
    »Aber sie wollte nicht.«
    »Nein. Sie wollte nicht. Und sie hat mir eine Botschaft geschickt, die ich verstanden habe.«
    »Lauras Auftritt im Biolabor.«
    Er nickte. »Ja, ihr Auftritt im Biolabor. Sie wollte mir zeigen, dass sie lieber tot wäre, als mit mir zusammen zu sein. Da habe ich sie gehen lassen.« Er schluchzte.
    Die Blumenbotschaft fiel mir wieder ein. »Waren Sie ihr eigentlich immer treu?«
    »Wie bitte? Aber natürlich war ich das.« Er heulte auf. »Niemals wollte ich eine andere. Aber jetzt ist sie wirklich tot.«
    Ich biss mir auf die Lippen.

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