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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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Rücken. Normalerweise sollte ich mir nach Schulschluss Fragen stellen wie: Wie schnell schaffe ich den Aufsatz für Französisch? Oder: Reichen zehn Minuten vor dem Frühstück für die Mathehausaufgaben? Aber stattdessen gingen mir folgende Fragen durch den Kopf: Warum musste sie sterben? Wer hatte ihr das angetan? Und wieso um alles in der Welt musste ausgerechnet ich sie finden, mich mit der blöden Schulleiterin anlegen und mir selber die Suche nach einer verschwundenen Leiche aufs Auge drücken?
    »Wenn ich dir einen Rat geben darf«, meldete sich in dem Moment Enzo vom Fahrersitz zu Wort und musterte mich durch den Rückspiegel.
    »Nein, darfst du nicht.« Ich schloss genervt die Augen. Einen Ratschlag von Mister Ich-misch-mich-in-alles-ein war wirklich das Letzte, was ich brauchte. Er ignorierte meine Ablehnung. Wie nicht anders zu erwarten.
    »Du solltest dich ein bisschen zurückhalten«, sagte er.
    »Ach ja? Und warum?«, brauste ich auf. »Ich bin auf dem Gymnasium und nicht auf der Arschkriecher-Akademie.«
    Er prustete los.
    »Da gibt’s nichts zu lachen«, schnaubte ich. »Und überhaupt, warum hast du dir ausgerechnet diese Spritschleuder ausgesucht, um mich abzuholen? Ich hasse diese Karre.«
    »Ach, wirklich?« Er schien überrascht. »Ich dachte, in so was fahren alle gerne. Alleine wegen der Aussicht von hier oben.«
    »Nee. Ein Geländewagen mit Allradantrieb und über 300 PS für den Stadtverkehr? Der schluckt zwanzig Liter Benzin! Das ist eine totale Umweltsauerei.«
    »Hast du gehört, Cayenne?« Er streichelte das mit beigem Leder bezogene Armaturenbrett des Porsche. »Sie mag dich nicht.«
    Oh Mann. Wenn ich nicht eben schon gekotzt hätte, dann würde ich es jetzt tun. Dieser Typ brachte mich auf die Palme, die Schulleiterin brachte mich auf die Palme und ich ärgerte mich über mich selbst. Da wollte ich an der neuen Schule alles besser machen, einen Neuanfang ohne Komplikationen hinlegen, um dann gemütlich die letzten anderthalb Jahre meiner Schullaufbahn auf einer Pobacke abzusitzen. Aber nein, ich hatte nichts Besseres zu tun, als auf eine Leiche zu stoßen. Die verschwunden war, ausgerechnet, als ich sie den anderen zeigen wollte. Verdammte Hacke. Was fiel der eigentlich ein? Ich meine, Leichen sind ja nun normalerweise nicht gerade bekannt für ihren Bewegungsdrang. Und ich hatte sie gesehen. Oder hatte ich vielleicht geträumt? Oder wurde ich am Ende noch verrückt? Hatten mir meine Nerven einen Streich gespielt und ich hatte mir alles nur eingebild… nein. Schluss, Sander. Sie war da! Sie war tot und auf dem Stuhl. Mitsamt ihren starren Augen und den bleichen Lippen und dem abgeknickten Hals und dem Blut und vor allem diesem Messer in ihrer Brust. Ja, natürlich war sie da gewesen. Und ich würde sie finden. Irgendwo in der Schule musste sie ja sein. Haus verliert nichts, sagt meine Mutter immer.
    Aber das musste bis morgen warten. Für heute reichte es mir. Selbst für Shopping war ich zu fertig. Heute hatte ich nur noch Kraft für das Natascha-Verwöhn-Programm. Ich sah aus dem Fenster und versuchte Enzo zu ignorieren, der mir gerade irgendwas erzählte von einem seiner ehemaligen Polizeikollegen, der auch mal überraschend auf eine Leiche gestoßen war und so weiter. Meine Güte! Er redete mal wieder, als würde er dafür bezahlt. Bisher kannte ich Bodyguards ausschließlich als schweigende Schatten, die den Mund nur ein einziges Mal aufmachten, nämlich um sich mit einem Schrei in die Flugbahn der Kugel zu werfen, die für den Präsidenten der Vereinigten Staaten bestimmt war. Woran man mal wieder merkt, wie gut ich mich mit dem Thema auskannte. Wie sollte es aber auch anders sein? Ich hatte meinen ja erst seit drei Tagen. Und den hatte ich mir selber eingebrockt. Hatte jedenfalls mein Vater gesagt. Enzo war sozusagen eine pädagogische Maßnahme. Man könnte es auch Bestrafung nennen. Vergeltung. Oder Rache. Diesmal geht der Dank an meinen großen Bruder Bastian. Danke, Basti!
    Der war nämlich vor einer Woche verschwunden. Mitten im Semester. Große Aufregung im Hause Sander. Menschenraub und Entführung – die Worte standen in Großbuchstaben in den Augen meiner Mutter, die es gerne melodramatisch hatte. Woraufhin ich mich in einer fiesen Zwickmühle wiederfand. Ich weiß, ich habe gesagt, dass ich die Klappe nicht halten kann. Aber wenn mich jemand um Stillschweigen bittet, dann kann ich das sehr wohl. Zumindest, wenn es sich bei diesem Jemand um meinen Bruder handelt.

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