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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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Klapprad darunter, mit dem man zu Wim fahren kann, wenn man es eilig hat. Helm auf, Motor an, los ging’s. Ein Hoch auf den Elektromotor, der so leise schnurrte wie ein Kätzchen! Aktivierte den elektrischen Toröffner und rollte durch die sich gerade öffnende Einfahrt in die Freiheit.
    Bei Justus holte ich mir schnell den Arztkittel ab und wenig später parkte ich meinen Roller an der Schule. 17 Uhr 24. Um sechs fing das Theaterstück der AG an, da müssten doch gleich mal die Eltern eintrudeln. Und tatsächlich. Nachdem die ersten drei Wagen der Luxusklasse vorgefahren waren, mischte ich mich unter die Ankommenden und ging unbehelligt in das Schulgebäude. Natürlich galt mein Interesse nicht den schönen Künsten. Ich war hier, um die dreckige Arbeit zu machen.

9
    Am Ende des Ganges im Erdgeschoss wartete ich, die Hintertür im Blick. Punkt 18 Uhr 14 öffnete sie sich endlich. Zehn Frauen in weißen Kitteln, die Hälfte mit Kopftuch, kamen herein. Eine mit schwarzem Kopftuch führte die Truppe an, schloss eine Tür auf und alle zehn verschwanden in dem Raum und kamen wenige Augenblicke später mit Putzwagen bewaffnet wieder heraus. Sobald alle außer Sichtweite waren, schlich ich mich in den Raum mit dem Reinigungsmaterial, zog meinen Mantel aus und stattdessen den weißen Arztkittel von Justus’ Mutter an. Den Mantel hängte ich an einen Haken, band mir meinen Schal zu einer Art Turban um den Kopf und bewaffnete mich mit einem Wischmopp und einem Eimer. Gerade wollte ich rausgehen, da kam der Hausmeister herein. Ich erstarrte. Er glotzte mich feindselig an. Mist! Was machte ich denn jetzt? Schnell schaute ich nach unten und fing an zu wischen.
    »Ah, da ist ja eine von Ihnen. Hören Sie, so was wie gestern geht nicht«, herrschte er mich an. Puh. Erleichterung. Mein Putzfrauenoutfit schien eine bessere Tarnung zu sein, als ich gedacht hätte. Doch dann hielt er plötzlich inne. Musterte mich. Er überlegte, woher er mich kannte. Sicher tat er das! Ich tunkte den Wischmopp in den Eimer. Scheiße. Da war kein Wasser drin. Auffälliger ging es wohl nicht. Gleich würde ich auffliegen. Der Hausmeister öffnete den Mund. Ich erwartete, dass er mich mit meinem Namen ansprach. Doch dann sagte er: »Verstehen Sie mich überhaupt? Verstehen Sie Deutsch? Die Sprache, die in diesem Land gesprochen wird?«
    Mein Blick klebte am Boden, während ich weiter Richtung Tür wischte. Den verräterisch leeren Eimer ließ ich stehen.
    »Pah«, hörte ich den Hausmeister schimpfen. »Nicht mal deutsch können die. Kein Wunder, dass die schlampig putzen.«
    Ich spürte die Wut in mir aufsteigen. Dann putz doch selbst, hätte ich am liebsten geschrien und ihm den Wischmopp in die Hand gedrückt. Aber dann redete der Hausmeister weiter, mit sich selbst allerdings, und ich stellte meine Lauscher auf Empfang.
    »Aber jetzt habe ich keine Zeit für den Mist, ich muss mich ja um diesen dämlichen Theaterheini kümmern, diesen Wichtigtuer. Der geht mir vielleicht auf die Nerven mit seinen Extrawünschen. Hätte man sich ja alles vorher überlegen können. Aber nein! Der Herr Schmitz kann doch mal eben dies besorgen und das… als ob ich irgendein dämlicher Requisiteur wäre!« Er murmelte weiter, aber ich verstand ihn nicht mehr. Äußerst interessant, was die Leute so erzählen, wenn sie denken, ihnen höre niemand zu.
    So und jetzt auf in den zweiten Stock. Schnellen Schrittes eilte ich zum Aufzug und fuhr hinauf. Oben angekommen, linste ich vorsichtig um die Ecke. Die Frau mit dem schwarzen Kopftuch ging, sich von mir entfernend, den Gang entlang und schloss nacheinander die Räume auf, gefolgt von einer platinblonden Frau mit schwarzem Haaransatz und verkniffenem Gesichtsausdruck. Sie schob ihren Putzwagen ins Biolabor, das schwarze Kopftuch verschwand hinten um die Ecke im Caroline-Herschel-Trakt. Ich nahm allen Mut zusammen und wagte mich aus der Deckung. Tu so, als wärst du eine Putzfrau, nein, tu nicht so, sei eine Putzfrau! Benimm dich ganz natürlich. Du bist hier, um aufzuräumen, Ordnung zu machen, hinter der verwöhnten Schülerschaft herzuräumen.
    Ich ging zum Chemieraum. Trotz meines Beruhigungsmantras bummerte mein Herz im Takt eines Technosongs und ich fragte mich, ob ich nicht total verrückt geworden war, meine Schullaufbahn für eine Leiche aufs Spiel zu setzen, von der niemand etwas wissen wollte. Ich gucke nur noch diesen Lagerraum an, wenn ich dann nichts finde, dann ist Schluss, nahm ich mir vor und öffnete die

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