Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
angeschlagen hatte. Ich schloss die Tür und gönnte den einbalsamierten Kreaturen ihre Ruhe im ewigen Leben. Dann wandte ich mich der anderen Tür zu. Chemie stand darauf. Hier fand ich zu meiner großen Erleichterung keine gruseligen Überraschungen. Es waren zwei hintereinanderliegende kleine Räume. Der vordere, durch den ich schnell durchging, war eine Art Vorbereitungsraum, mit einer Abzugshaube über dem Arbeitstisch. In einem Regal lagen Gasmasken, Löschdecken und Feuerlöscher. Nichts, was auf eine Leiche hindeutete. Der hintere Raum war bis zur Decke mit Regalen vollgestellt, in denen sich Glaskolben, Keramikgefäße, Bunsenbrenner, allerlei Apparaturen und braune Glasflaschen, Plastikflaschen, kleine Kanister und andere Behälter stapelten, auf denen Totenköpfe und andere alarmierende Bilder vor unsachgemäßem Umgang warnten. Aha! Massenweise Chemikalien also, mit denen man feste Substanzen in flüssige oder gasförmige Zustände versetzen konnte. Schnell fotografierte ich mit meinem Handy die verschiedenen Etiketten, damit ich später im Internet überprüfen konnte, ob die sich zur Atomisierung eines menschlichen Körpers eigneten. Aber dafür bräuchte man ja auch noch einen geeigneten Behälter, eine Wanne oder Tonne oder Ähnliches, mit einem ziemlich großen Abfluss. So was gab es aber hier nicht. Der Mörder müsste sich also hier am Schrank bedient und dann die Leiche woanders beseitigt haben. Na toll. Das würde ich nie rauskriegen! Was für ein Reinfall! Aber irgendwie fühlte ich mich trotzdem erleichtert. Ich hatte es überprüft. Das war ich mir schuldig gewesen. Und jetzt würde ich nach Hause fahren und ein paar Folgen »Gossip Girl« gucken.
Ich löschte überall das Licht und ging zurück zur Tür, die ins Chemielabor führte. Alles schien still dort drüben, also huschte ich hinaus. Und dann ertappte mich die platinblonde Putzfrau. Ich war gerade halb durch die Tür, da kam sie herein. Sie stutzte und glotzte mich verwirrt an. Ich blieb ebenfalls stehen, musterte sie und setzte dabei auch einen überraschten Gesichtsausdruck auf. So als ob sie das unbekannte Objekt in der Situation sei. Ohne sie aus den Augen zu lassen, schloss ich hinter mir die Tür, dann griff ich nach dem Wischmopp und fing in aller Ruhe an zu wischen. Wischen hat eine erstaunlich beruhigende Wirkung, stellte ich schon zum zweiten Mal fest. Die Platinblonde zuckte mit den Schultern und nahm ebenfalls ihre Tätigkeit wieder auf. Sie schlurfte zum Mülleimer und holte mit geübtem Griff die übervolle Tüte heraus. Ich ging, den Wischmopp vor mich herschiebend, hinüber ins Biolabor und stellte den Mopp in die Ecke. Meine Zeit als Putzfrau war vorbei. Ich wollte gerade nach Hause abhauen, da begann im Chemielabor folgende Unterhaltung: »Diesmal machst du die Mülleimer aber ordentlich leer. Gestern hast du das vergessen, Daria. Wir haben ziemlich Ärger bekommen deswegen. Dass mir das nicht mehr vorkommt!«
»Okay«, antwortete Daria. »Tut mir leid, ich hatte es gestern so eilig, zur Abendschule zu kommen.«
Ich blieb wie elektrisiert stehen! Die Mülleimer! Ich war ja so ein Riesenidiot! Durchsuchte draußen die Müllcontainer, aber kam nicht auf die Idee, den Abfall aus den Laboren zu checken. Alte Schabe, Sander, du bist echt eine ziemlich miese Detektivin. Das ist doch nun wirklich das kleine Schnüffler-Einmaleins! An dem Putzwagen hing ein schwarzer Müllsack mit dem Müll aus dem Biolabor. Den löste ich von seiner Aufhängung. Gerade überlegte ich, wie ich an den Müll aus dem Chemielabor kommen könnte, da hörte ich, wie drüben die Tür aufgerissen wurde und der Hausmeister schrie: »Wer von Ihnen war im Lagerraum?«
Ich rannte los, zur Tür, zum Aufzug, in die Freiheit! Ich hatte Glück, der Aufzug war oben und wartete mit geöffneten Türen auf Passagiere. Ich hämmerte auf den Knopf mit dem E, die Türen schlossen sich hinter mir, ohne dass kalte Hausmeisterhände nach mir griffen. Unten angekommen, stellte ich wahrscheinlich einen neuen Rekord im Mülltütensprint auf. Ich raste zum Putzraum, riss meinen Mantel vom Haken und zog ihn über den verräterischen Kittel, zerrte mir den Schal vom Kopf und verwandelte mich wieder in ein ganz normales Schulmädchen. Natürlich bis auf den Müllsack, den ich bei mir trug. Ich rannte zum Schultor, hinaus auf die Straße und atmete erst auf, als ich den Motorroller gestartet hatte und davonbrauste, meine Beute zwischen die Beine geklemmt.
Als ich nach
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