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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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deutlich an Schärfe verloren. Wieder Schritte, diesmal schneller. »Was ist denn jetzt schon wieder los?«, fragte eine polternde Männerstimme. Unverkennbar Hausmeister Schmitz.
    »Wo ist dieses schreckliche Mädchen?« Na klar. Von Cappeln war natürlich auch mit von der Partie. Ich versuchte mich noch enger in meinen toten Winkel zu drücken.
    »Nichts passiert«, beruhigte sie der Biologielehrer. »Dieser junge Mann hier hat sich verlaufen.«
    »Herr Pohlmann ist noch neu bei mir«, erklärte Justus. »Aber die von der Blindenhundagentur hatten mir versichert, dass er bereits trainiert ist. Es tut mir sehr leid, dass ich mich verlaufen habe. Aber es riecht hier auch ein bisschen nach alten Leuten oder finden Sie nicht?«
    »Kommen Sie, junger Mann, ich bringe Sie jetzt nach draußen«, bot Siebert an. Die Stimmen entfernten sich. Justus lamentierte noch ein bisschen über Blindenhunde im Allgemeinen und im Besonderen. »Wissen Sie, Lassie, das war meine letzte Hündin, wirklich, sie hieß so, die hat immer ...« Seine Stimme verklang und ich hoffte, er überspannte den Bogen jetzt nicht. Ich blieb noch ein paar Minuten in meiner Kauerhaltung liegen, falls doch noch jemand auf die Idee kam, die Feuertreppe zu kontrollieren. Nach elend langen fünf Minuten hob ich den Kopf. Die Luft war rein. Mit zitternden Beinen erhob ich mich und schlich gebückt bis zu den Stufen, dann hastete ich in rekordverdächtigem Tempo die Treppe runter. Schnell lief ich um die Ecke zum normalen Schulhof und dann zum Eingangstor. Enzo lehnte auf der anderen Straßenseite an dem Toyota und beobachtete mich mit undurchdringlicher Miene. »Ich dachte schon, ich muss dich wieder suchen gehen«, sagte er.
    »Aber wir beide waren doch verabredet.« Ich schenkte ihm mein schönstes Lächeln. »Das würde ich um nichts in der Welt verpassen wollen.«
    Er zog die Augenbrauen hoch. »Na dann. Umso besser.« Er öffnete die Wagentür und ich schlüpfte auf den Rücksitz. Und gerade als wir losfuhren, sah ich Justus, wie er aus dem Schulgebäude geführt wurde. Er trug seine Sonnenbrille, hatte die Hand auf Jochen Sieberts Arm gelegt und stakste langsam neben ihm her. Herr Pohlmann wackelte lahm vorneweg. Im Wegfahren beobachtete ich, wie das kleine Grüppchen am Eingangstor ankam, Jochen Siebert sich mit Handschlag von Justus verabschiedete und Justus mit langsamen Schritten rechts den Bürgersteig runterging, den Kopf starr geradeaus gerichtet. Was für eine grandiose Vorstellung von ihm!

8
    Und? Wie war’s?«, fragte Enzo.
    Was geht dich das an, hätte ich am liebsten geantwortet, du bist doch nicht meine Mutter. Aber ich war abgelenkt von dem großen Plakat im Schaukasten der Liebfrauenschule, der neben dem Eingang stand. Die Theater-AG der 8. und 9. Klasse führte heute Abend das Stück »Der Lügner« auf. Interessant.
    »Keine Leichen heute?«, fragte Enzo.
    »Nee, ist doch Freitag«, brummte ich. »Da gibt es bei den Katholiken nur Fisch.«
    »Haha.« Enzo war einen Moment still. Das gab mir die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Mal überlegen. Was hatte ich bisher erreicht? Eigentlich nichts bis gar nichts. Einen Nagellacktropfen gefunden, der nicht der Rede wert war. Eine extrem neugierige Klassenkameradin (Nora) und einen Notausgang, den man nicht unbemerkt öffnen konnte. Es sei denn, man kannte den Pincode. Und dann gab es da noch einen vertrottelten Chemielehrer, der mit Salzsäure hantierte. Wieder dachte ich, dass ich was übersehen hatte, aber ich wusste nicht, was. Ich hatte beide Labore durchsucht. Und den Lagerraum für Chemie würde ich mir noch vornehmen. Und zwar heute. Ich musste nur irgendwie meinen Bodyguard abschütteln. Aus einem Impuls heraus drehte ich plötzlich den Kopf und schaute nach vorne. Ich sitze aus Gewohnheit immer hinter dem Fahrer, so wie früher, als mein Paps am Steuer gesessen hatte und mein Bruder Basti den Platz rechts neben mir hatte. Mein Vater hatte öfter Grimassen gezogen und mich über den Spiegel zum Lachen gebracht. Deswegen war der Blick in den Rückspiegel eine Angewohnheit von mir. Völlig ungewohnt war jedoch der Anblick. Genau in dem Moment guckte nämlich Enzo durch den Rückspiegel zu mir. Seine Augen leuchteten wie die Scherbe einer Weinflasche, durch die die Sonne scheint. Unsere Blicke trafen sich. Für eine halbe Sekunde höchstens, denn ich guckte schnell wieder weg. Dieser eingebildete Affe. Sollte bloß nicht denken, ich würde mich an ihn gewöhnen. Aus dem Augenwinkel sah ich,

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