Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
Tür zum verwaisten Chemielabor. Vom Bioraum nebenan hörte ich Stühlerücken und Wasserplätschern, mit dem ein Wischmopp in einen professionell befüllten Eimer getaucht wird. Ich schlich zur Tür vom Lagerraum. Sie war zu. Hatte ich es doch geahnt. Vermutlich hatten die Putzfrauen auch keinen Zutritt zu diesem Raum. Vorhaben gescheitert. Geh nach Hause, Sander. Es sei denn, ich würde… nein, das kann ich nicht. Oder doch? Vor meinem geistigen Auge sah ich Herrn Pohlmann, wie er vor Aufregung sabbernd an der Tür kratzt. Dadrin musste einfach ein Hinweis sein. Ich würde mich ewig ärgern, wenn ich das nicht überprüfe! Und so dicht davor aufgeben galt einfach nicht. Ich ging also zurück auf den langen Flur. Zum Haustelefon. Die Durchwahl zum Hausmeister stand auf einem kleinen weißen Zettel in der Mitte des Telefons. Mit zitternden Fingern wählte ich die Nummer.
»Schmitz«, bellte er ins Telefon.
Ich schluckte. Dann fing ich an mit meiner Performance: »Ich machen sauba alles, wischiwischiwisch. Alles blitziblank.«
Ich hörte Herrn Schmitz stöhnen, versuchte mich aber in meiner Akzentimitation nicht irritieren zu lassen. »Dann ich gehen raus, Tür fallen zu. Bumm. Putzewage drin. Ich Nummer nix haben. Kann nix Wage rausholen. Kann nix putzen.«
»Was wollen Sie?«, schrie er ins Telefon.
»Putzewage holen.«
»Ja, dann holen Sie Putzewage.«
»Ich nix haben Nummer. Tür zu.«
»Welche Tür?«
»Tür in Labor. Andere Tür Labor. Tür zu. Numma tipp.«
»Sie meinen den Lagerraum im Chemielabor?«, fragte er argwöhnisch.
»Ah«, machte ich und hoffte, dass es wie eine aserbaidschanische Version von Ja klang. »Lehrer sagen, aufräumen. Lehrer machen auf. Tipp, tipp Numma. Ich machen sauba, wischiwischiwisch, alles blitziblank. Dann ich gehen raus, Tür bumm.«
Schmitz stöhnte wieder. Im Hintergrund hörte ich eine Stimme, die ihn irgendwas fragte.
»Der Schnitzler hat Ihnen gesagt, dass Sie da aufräumen sollen?«
»Ah.«
»Und er hat Ihnen den Raum aufgemacht?«
»Ah.«
Schmitz schnaubte wie ein wild gewordener Stier. »Diesen Tag sollte man einfach aus dem Kalender streichen. Hören Sie, ich darf Ihnen den Code nicht geben…«
»Putzewagen drin. Kann nix Wagen rausholen. Kann nix putzen«, erwiderte ich ungerührt und fing einfach noch mal von vorne an. »Ich machen alles sauba, wischiwischiwisch, alles blitziblank…«
Im Hintergrund hörte ich eine mittlerweile deutlich gestresste Stimme seinen Namen rufen. Schmitz stöhnte ein drittes Mal. Dann sagte er: »7095. Die Nummer ist sieben null neun fünf. Und ich warne Sie, machen Sie keine Dummheiten, sonst werden Sie es noch bereuen.«
10
Ich rannte ins Chemielabor, tippte den Code in den Sicherungskasten ein. Es blinkte grün, die Tür ging auf. Ich schlüpfte hinein, machte Licht an. Ein schmaler Gang, zwei Türen, eine links, eine rechts. Ich öffnete die rechte Tür, »Biologie« stand in schwarzen Buchstaben darauf. Ich blickte ins Dunkle. Doch da… was war das! Oh mein Gott! Aus dem Schwarz funkelten mich glänzende Augen an. Vor Schreck entfuhr mir ein kleiner Schrei. Mindestens fünf Paar gelbe Augen starrten mir aus der Finsternis entgegen. Eine Mordkammer! Er hatte hier nicht nur eine, sondern mehrere Leichen abgelegt. Mir wurde schon wieder schlecht. Fieberhaft tastete ich nach dem Lichtschalter. Das Licht aus der Neonröhre flackerte ein-, zweimal, bis es den Raum grell erleuchtete. Ich legte die Hand vor die Augen, einmal wegen der ungewohnten Helligkeit und zum Zweiten, weil ich Angst hatte vor dem Anblick, der sich mir gleich ins Gedächtnis einbrennen würde. Der Horrorfilm-Reflex. Doch dann nahm ich die Hand gleich wieder runter. Einen Sichtschutz brauchte ich nun wirklich nicht. Mir entgegen starrte ein Panoptikum von diversen toten Tieren. Die funkelnden Augen gehörten einem Iltis, einem Fuchs, einem Hasen, einer Kobra, einem großen Fisch und einem kleinen Adler. Die Tierpräparate standen in einem Metallregal an der Wand. Meine Güte. Ziemlich antiquiert. Wer guckte sich denn heute noch solche mottenzerfressenen Viecher an, wo man sich im Internet rund um die Uhr lebendige Anschauungsobjekte in bewegten Bildern runterladen konnte? Gruselig! Da hätte wohl nur meine Klassenkameradin Merle ihre helle Freude dran. Ich atmete tief ein und aus, ein Schweißtropfen rann mir den Rücken runter. Immerhin hatten die Biester mir einen gehörigen Schrecken eingejagt. Kein Wunder, dass Herr Pohlmann, der alte Jagdhund,
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