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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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linke Augenbraue nach oben und ich redete schnell weiter, um einer Diskussion über die mangelnde Glaubwürdigkeit meiner Spielsucht-Theorie zu entgehen und den Fokus wieder auf den Fall zu lenken. »Jedenfalls ist es doch so: Wenn man Schlaftabletten genommen hat, dann muss man sich doch nicht ertränken.«
    »Verzweifelte Menschen sind zu allem fähig«, wandte Justus ein.
    »Das hat Enzo auch gesagt«, seufzte ich.
    »Der Bodyguard?«
    »Ja, dieser Blödmann.«
    »Hast du ihm etwa davon erzählt?«
    »Ich musste«, rechtfertigte ich mich. »Er hat es ja mitbekommen. Zumindest einiges.«
    »Hoffentlich war das kein Fehler«, brummte Justus. »Nachher mischt er sich noch in unsere Angelegenheiten ein.«
    »Der soll es wagen«, sagte ich.
    »Wo ist er eigentlich?«
    »Wer?«
    »Na, der ominöse Bodyguard.«
    »Der ist nicht ominös, nur bescheuert.«
    »Zeigst du ihn mir mal?«
    »Der ist doch keine Trophäe. Eher eine Plage.«
    »Oh, bitte, bitte!« Justus klimperte mit den Augenlidern.
    »Nein!«
    »Ich geb dir auch ein paar Colafläschchen.« Er zog aus seiner Jackentasche eine Tüte Fruchtgummi.
    »Also gut«, sagte ich und schnappte sie mir. »Überredet. Ich zeige ihn dir. Irgendwann mal. Aber erst mal gucken wir uns Lauras Internetseite an.«
    Sie hieß Lauras Blütenwolken-Blog, und wie man an diesem Namen schon erahnen konnte, war sie voller tränendrüsen- und würgereizstrapazierender Lyrik, bei der man auch beim dritten Lesen vergeblich nach dem Sinn fahndete. Hier nur mal eine kleine Kostprobe aus »Rosenmond«:
    »Die Wolken ziehen, zerfetzt
    der Atem des Sommers schwindet,
    Glas, violett, ein Tropfen vom Wind
    zerspringt.«
    »Das ist ja furchtbar.«
    »Sag das nicht«, wandte Justus ein. »Vielleicht verstehen wir es nur nicht.«
    »Doch, ich verstehe das«, ereiferte ich mich. »Da versucht jemand, seinen Worten eine tiefere Bedeutung zu verleihen, indem er sie in ungewöhnlicher Kombination zusammenwürfelt. Dann bekommt das Ganze den Stempel der Lyrik und schon wagt keiner zu sagen, dass es großer Mist ist. Das ist genau das Gleiche wie bei moderner Kunst. Da werden auch Typen, die einem Kind den Malkasten geklaut haben, als Genies verehrt, nur weil sie es geschafft haben, eine Leinwand in Gelb und Grün vollzuschmieren, also ehrlich.« Justus beobachtete mich grinsend. Er kannte meine Empörung über moderne Kunst nur zu gut, daher hatte er sich auch schon wieder der Website zugewandt.
    »Ist denn noch was Interessantes dabei?«
    »Hier ist ein ziemlich düsteres Gedicht namens ›Tinte‹.« Er rezitierte: »Schwarz, mein Herz, meiner Augen Licht, meine Seele verrußt, dunkel, das Meer, die Unendlichkeit.«
    »Das klingt nicht gerade happy«, sagte ich.
    »Nee, kann man nicht gerade sagen. Vielleicht hat sie sich ja doch selbst umgebracht.« Er machte ein paar Screenshots.
    »Aber warum hat sie dann zwei Tage vorher ihren Tod inszeniert?«, fragte ich. »Und zwar hochprofessionell. Hatte sich passenden Lippenstift für blasse Lippen gekauft und Theaterblut, um es echt wirken zu lassen. Das macht doch keinen Sinn.«
    Justus antwortete prompt. »Doch, das macht sogar sehr viel Sinn. Es war eine Art Warnung. Ein Hilfeschrei. Damit sie jemand vom Selbstmord abhält.«
    »Aber was ist das für eine Warnung, die niemand sieht? Außer mir. Wenn sie wirklich hätte warnen wollen, dann hätte sie doch gewartet, bis alle sie entdeckt haben.«
    Justus dachte einen Moment nach. Dann sagte er: »Vielleicht sollten es gar nicht alle sehen. Vielleicht sollte es nur eine bestimmte Person sehen!«
    »Cool!« Ich knuffte ihn in die Schulter. »Du bist ja doch ganz schön schlau für so einen Computernerd.«
    Er grinste und knuffte mich zurück, aber diesmal ging das nicht in eine Rangelei über wie früher, wo wir öfter mal Judoka gespielt und uns gegenseitig auf den Boden geworfen hatten. Justus sah mich von der Seite aufmerksam an, da erregte ein Link auf Lauras Seite meine Aufmerksamkeit. »Was ist denn das da?«, fragte ich und zeigte auf den Button in Form einer Blume.
    »Ach, das ist so eine Seite über die Sprache der Blumen.«
    »Was?«, fragte ich alarmiert. »Sprache der Blumen?«
    »Ja, hier.« Er klickte darauf und eine Art Wörterbuch der Blumensprache baute sich auf.
    »Rote Rose bedeutet: Ich liebe dich über alles«, las ich. »Ein Krokus sagt: Ich brauche Bedenkzeit. Justus, das ist es!«
    »Was denn? Sollen wir Blumen pflücken gehen?«
    »Nein! Die Blumen auf dem Boden!«, rief ich aufgeregt.

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