Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
hoch. »Schsch«, machte ich und schob flüsternd hinterher: »Spar dir deine schlauen Sprüche.«
»Ich dachte, du wolltest etwas abholen. Dass du einbrechen möchtest, hast du wohl vergessen zu erwähnen.«
»Ich muss dir auch nicht immer alles verraten, merk dir das.«
Ich klemmte den rechten Fuß von außen unter das Balkongeländer, hielt mich mit der rechten Hand oben am Geländer fest und ließ mich nach links kippen. Es waren noch etwa zwanzig Zentimeter zwischen meiner linken Hand und dem Regenrohr. Mist. Ich wechselte die Seiten, hielt mich mit links am Geländer fest und versuchte, mit der rechten an das Rohr zu kommen. Keine Chance. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Enzo aufs Garagendach kletterte. Kurz darauf schaute er um die Ecke, hielt sich am Regenrohr fest und reichte mir seine Hand. Ich nahm sie, drückte mich ab und er zog mich mit einem kräftigen Ruck um die Ecke. Es polterte, als ich auf dem Dach aufkam, und ich wäre hingefallen, wenn Enzo mich nicht festgehalten hätte. »Ein bisschen eleganter, Nilpferdmädchen«, sagte Enzo. »Dich kann man ja bis zum Äquator stampfen hören.«
»Klappe, Klugscheißer.« Ich klopfte meine Hose ab.
»Bedankst du dich eigentlich nie?«
»Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten.«
»Ach so«, rief er. »Ich Depp! In dem Fall musst du dich natürlich nicht für meine Hilfe bedanken.«
»Wie lange willst du noch drauf rumreiten? Komm drüber weg.«
»Aye, aye, Sir.« Er salutierte albern und ich hatte gute Lust, ihm einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf zu geben. Aber dann wurde plötzlich die untere Terrassentür geöffnet und der größte Rottweiler, den ich je gesehen hatte, raste auf den Rasen hinaus und kläffte wie ein Irrer. »Scheiße«, keuchte ich. Wir warfen uns aufs Dach, sodass der Hund uns nicht sehen konnte, der durch den Garten tobte. Gerochen hatte er uns sicher schon längst. Dann hörte er auf zu bellen. Vielleicht hatte er uns doch nicht bemerkt. »Und jetzt?«, flüsterte ich.
»Ich mag keine Hunde«, sagte Enzo.
»Kazong! Falsche Antwort. Was sollen wir jetzt machen, meine ich?«
»Jetzt warten wir, bis der Hund sein Geschäft gemacht hat und wieder drinnen ist, dann klettern wir runter.«
»Ich habe aber keine Lust, hier faul rumzuliegen«, maulte ich. Und dabei Enzo so nahe zu sein. Er machte mich irgendwie nervös.
»Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du in das Haus eingebrochen bist«, sagte er. Ich antwortete nicht. Ich überlegte einen Ausweg, konnte aber nicht klar denken. Ich spürte seinen Atem an meinem Hinterkopf. Er war warm.
»Kannst du nicht einmal was machen wie normale Leute? Und zum Beispiel klingeln?«
»Hab ich doch gemacht. Aber die Alte wollte mich nicht reinlassen.«
»Aha. Na klar. Und wenn man nicht reingelassen wird, dann bricht man eben ein. In was für einer Welt lebst du eigentlich? Auf dem Natascha-Sander-Planeten?«
»Könntest du mal aufhören zu meckern und anfangen, was Konstruktives beizutragen? Wenn der Hund noch lange da draußen rumläuft, bin ich erfroren«, wisperte ich.
»Wir können uns ja gegenseitig wärmen«, schlug er vor und machte Anstalten, näher zu rücken. Ich schob ihm meinen Ellenbogen in die Rippen. »Hau ab. Ich schreie.«
Er lachte und vergrößerte den Abstand. Um einen Zentimeter. »Hat sich der Einbruch wenigstens gelohnt?«
»Ich weiß nicht. Ich glaub nicht. Habe nur das gefunden.« Ich klaubte das Foto aus meiner Jackentasche.
»Mmhh«, machte er. »Und wer ist das?«
»Die eine ist das tote Mädchen. Die Asiatin. Die anderen sind ihre Freundinnen. Eine davon, die ganz rechts, kenne ich aus der Schule. Sie heißt Milena und ist die größte Tussi des Universums.«
»Ich dachte, das wärst du. Aua!« Diesmal hatte ich ihm wirklich den Ellenbogen in die Rippen geschoben.
»Es war versteckt unter dem Teppich«, erklärte ich.
Enzo drehte das Bild um und las die Inschrift auf der Rückseite. »Warum versteckt man ein so harmloses Foto?«
»Keine Ahnung. Aber mit dieser ganzen Familie stimmt was nicht, das kann ich dir garantieren. Die Alte hasst Mädchen.«
»Hat sie das gesagt?«
»Nein. Aber sie hat es so ausgesprochen, als wenn es ein Schimpfwort wäre.«
»Ist sie auch Chinesin?«
»Nein. Aber mit einem verheiratet.«
Natürlich nutzte Enzo die Gelegenheit, dass ich nicht abhauen konnte, um mich mit einem seiner berühmt-berüchtigten Monologe vollzulabern. Und dazu atmete er mir auch noch mit jedem Wort in den Nacken! Immerhin gab er
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