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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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nichts über Gurkenzüchtungen oder den Aufbau von Dieselmotoren zum Besten. Er erzählte was von dem Verhältnis der Chinesen zu Mädchen. Er sagte, dass bei den Chinesen die Mädchen traditionell weniger wert seien als Jungs. Und weil die Chinesen von Staatsseite aus nur ein Kind bekommen dürften, würden Mädchen dort oft abgetrieben. Deswegen hätten die mittlerweile einen richtig großen Männerüberschuss. »Und jetzt müssen die ganzen ach so wertvollen Männer sich richtig anstrengen, um eine Ehefrau zu bekommen.« Er lachte. »Das nenne ich Ironie des Schicksals.«
    »Die Plauderstunde ist vorbei, Professor«, sagte ich mit klappernden Zähnen. Mir war saukalt. Aber lieber würde ich mir von einem Rottweiler einen Arm abbeißen lassen, als mich an Enzo zu wärmen. Ich rutschte näher an den Rand der Garage und lugte hinüber. Der Hund war am anderen Ende des Gartens und hockte dort mit gekrümmtem Rücken unter einem Baum. »Er kackt gerade«, rief ich hektisch. »Los, Beeilung!« Ich schnellte hoch. Rannte zum Rand des Garagendachs und sprang auf die Holzverkleidung der Mülltonnen und dann runter auf den Boden. Das machte natürlich Lärm. Enzo war ein bisschen überrumpelt und nicht ganz so fix wie ich. Der Hund sah uns und nahm sich nicht mehr die Zeit, sein Geschäft zu beenden. Ohne einen Ton von sich zu geben, schoss er auf uns zu. Mit kräftigen Sprüngen überbrückte er in Windeseile den Abstand zu uns. Oh Gott. Er war gigantisch und sah aus wie eine Science-Fiction-Mutation.
    »Enzo, komm«, rief ich. Enzo sprang ebenfalls vom Dach runter. Wir rannten zur Lücke in der Hecke und hatten sie gerade erreicht, als mir klar wurde, dass eine Lücke, die groß genug war für uns, natürlich auch locker groß genug war für einen Hund.
    »Los, durch«, befahl ich Enzo und gab ihm einen kräftigen Stoß. Er tauchte durch die Hecke. Ich drehte mich um zu dem galoppierenden Rottweiler, der nur noch wenige Meter von mir entfernt war. »Natascha, was machst du denn!?«, rief Enzo und ich konnte die Panik in seiner Stimme hören. Aber ich blieb stehen. Sah dem Hund in die Augen. Mordlust schaute mir entgegen. Ein dicker Sabberfaden schwang im Takt seiner Sprünge durch die Luft. Ich spürte Enzos Hand an meinem Jackenärmel, aber ich machte mich los. Der Rottweiler riss das Maul noch weiter auf, der Sabberfaden segelte davon. Seine Muskeln pumpten, er sprang ein letztes Mal ab. Mit ungeheurer Wucht segelte er auf meine Kehle zu, die Fangzähne bereit.
    »Scheiße«, sagte Enzo. Erst im allerletzten Moment bewegte ich mich, duckte mich ruckartig, hob meinen rechten Arm, versetzte dem Tier einen Schlag gegen die Flanke und sprang gleichzeitig nach links weg. Der Hund knallte mit dem Kopf gegen den dicken, glatten Stamm der Erle oder Eiche oder Linde und ging bewusstlos zu Boden.
    »Es hat tatsächlich geklappt«, stellte ich staunend fest.
    »Los jetzt«, sagte Enzo und zog mich durch die Hecke. Ein Ast kratzte mir über die Wange. Wir waren schon fast am Ende der Auffahrt, da hörte ich Absätze, die auf das Pflaster knallten. Ich drehte mich um. Lauras Mutter kam auf uns zugeschossen. Ihr Gesicht eine Maske aus Eis. »Was wollen Sie denn noch hier?«, fragte sie mit sich vor Wut überschlagender Stimme.
    »Ich…«, fing ich an, aber zum ersten Mal in meinem Leben fiel mir nichts ein. Sie stürmte auf uns zu und blieb einen Meter von mir entfernt stehen. Sie öffnete den Mund, dann schloss sie ihn wieder. Sie öffnete ihn noch einmal und zischte: »Sie ist weg. Laura ist weg. Sie kommt nicht wieder. Niemals.«
    »Ich wollte nur… ihr Zimmer sehen«, sagte ich. »Ich wollte ihr nahe sein. Für einen Moment.«
    Etwas in dem Gesicht der Mutter veränderte sich. Ein Riss in der dicken Eisschicht. »Ja«, sagte sie.
    »Ich… ich würde gerne verstehen, was passiert ist«, erklärte ich. Lauras Mutter schloss die Augen und schwankte leicht. »Was hat Laura denn in ihrem Abschiedsbrief geschrieben?«, fragte ich leise. Die Mutter atmete schwer. »Dass sie uns verlassen wird. Ihre eigenen Eltern.« Eine Träne kullerte ihre Wange herunter und riss einen Bach in die Eisschicht.
    »Und der Junge? Wegen dem sie Liebeskummer hatte?«, fragte ich.
    Sie weinte weiter. Lautlos. »Sie hat sehr unter der Trennung gelitten.«
    »Wie hieß er?«, fragte ich.
    Da hörte ich ein Auto kommen und ein schwarzer Riesenjeep mit getönten Scheiben rollte langsam auf die Einfahrt zu. »Geht jetzt«, sagte die Mutter schnell. »Mein

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