Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
ein bißchen davon erzählen? Ich habe nicht die geringste Ahnung von Pharmazie. Ich glaube, in den letzten sechs Jahren habe ich keine einzige Pille geschluckt.«
    »Dann sind Sie also sehr gesund.«
    »Ich bekomme nicht einmal einen Kater«, sagte ich. »Als Kind war ich allerdings recht kränklich. Mußte ständig irgendwelche Medikamente schlucken. Ich war ein Einzelkind, darum waren meine Eltern übertrieben fürsorglich.«
    Sie nickte und starrte in ihre Kaffeetasse. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder etwas sagte.
    »Pharmazie ist nicht gerade das spannendste Fach«, begann sie. »Es muß unzählige Dinge geben, die mehr Spaß machen, als die Bestandteile verschiedener Arzneien auswendig zu lernen. Es ist weder romantisch, wie zum Beispiel die Astronomie, noch dramatisch wie, Arzt zu sein. Aber es hat irgendwie etwas Vertrautes, etwas, womit ich mich anfreunden kann. Etwas Realistisches.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. Sie konnte also doch reden. Sie brauchte nur etwas länger als die meisten, um die richtigen Worte zu finden.
    »Haben Sie Geschwister?« fragte ich.
    »Zwei ältere Brüder. Der eine ist schon verheiratet.«
    »Dann studieren Sie also Pharmazie, weil Sie später den Familienbetrieb übernehmen werden?«
    Sie errötete wieder. Und blieb eine ganze Weile lang stumm. »Ich weiß es nicht. Meine Brüder haben beide eine Stelle, also wird's vielleicht wirklich darauf hinauslaufen, daß ich das Geschäft weiterführe. Aber es ist noch nichts entschieden. Mein Vater hat gesagt, wenn ich nicht möchte, ist es auch in Ordnung. Er macht so lange weiter, wie es geht, und dann verkauft er die Apotheke.«
    So unterhielten wir uns und verbrachten zusammen den Nachmittag. Mit vielen langen Pausen, während denen ich darauf wartete, daß sie weiterredete. Jedesmal, wenn ich ihr eine Frage stellte, errötete sie. Ich genoß unsere Unterhaltung sogar - für mich damals eine beachtliche Leistung. Wie ich so mit diesem Mädchen im Café zusammensaß, fühlte ich so etwas wie Heimweh in mir aufsteigen. Allmählich empfand ich sie wie jemanden, den ich schon mein ganzes Leben lang kannte.
    Nicht, daß ich mich zu ihr hingezogen gefühlt hätte. Nicht im geringsten. Sicher, sie war nett, und ich genoß die Zeit, die wir zusammen verbrachten. Sie war ein hübsches, angenehmes Mädchen, ganz wie mein Bekannter gesagt hatte. Aber als ich mich fragte, ob sie über diese Vorzüge hinaus etwas besaß, was mich umgehauen hätte, mir mitten ins Herz gegangen wäre, lautete die Antwort nein. Nada.
    Nur Shimamoto hatte das bei mir je fertiggebracht. Da saß ich nun, hörte diesem Mädchen zu und dachte dabei unentwegt an Shimamoto. Ich wußte, daß es nicht richtig von mir war, aber ich konnte es nicht ändern. Nach all den Jahren ließ mich der bloße Gedanke an Shimamoto noch immer am ganzen Leib erschaudern. Eine leicht fieberhafte Erregung, als stieße ich, irgendwo tief in mir, behutsam eine Tür auf.
    Von dieser Erregung, diesem allumfassenden Fieberfrösteln, war jedoch nichts zu spüren, als ich neben diesem Mädchen mit dem lahmen Bein durch den Hibiya-Park schlenderte. Was ich für sie empfand, war ein gewisses Mitleid und gleichmütige Sympathie.
    Sie wohnte in Kobinata, bei ihren Eltern. Ich begleitete sie im Bus nach Hause. Wir saßen nebeneinander, und sie sagte während der Fahrt kaum ein Wort.
    Ein paar Tage später kam mein Kollege an meinen Schreibtisch und erzählte mir, das Mädchen scheine mich wirklich zu mögen. Warum fahren wir, sagte er, wenn wir wieder ein paar Tage frei haben, nicht zu viert irgendwohin? Ich wimmelte ihn mit irgendeiner Ausrede ab. Nicht, daß ich irgend etwas dagegen gehabt hätte, sie wiederzusehen und mich mit ihr zu unterhalten. Im Gegenteil, ich wünschte mir sogar eine Gelegenheit, wieder mit ihr zu reden. Unter anderen Umständen hätten wir vielleicht sogar gute Freunde werden können. Aber die Geschichte hatte mit einer Doppelverabredung angefangen, und der Zweck solcher Verabredungen ist schließlich, daß man einen Partner findet. Hätte ich mich jetzt also noch einmal mit ihr verabredet, dann wäre ich damit eine gewisse Verpflichtung eingegangen. Und ihr weh tun war das letzte, was ich wollte. Mir blieb keine andere Wahl als abzulehnen.
    Ich habe sie nie wiedergesehen.

6
    Während dieser Periode trat eine weitere Frau mit einem gelähmten Bein vorübergehend in mein Leben und verwickelte mich in eine seltsame Episode, deren Bedeutung ich selbst heute noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher