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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Chance vertan, je ein anständiger Mensch zu werden. Die Fehler, die ich begangen hatte, vielleicht waren sie Teil meines Charakters, ein Aspekt meines Wesens, unausweichlich. Ich hatte den absoluten Tiefpunkt erreicht, und ich wußte es.

5
    Eine vergeudete Zeit.
    Im ersten Jahr nahm ich an ein paar Demonstrationen teil, sogar an Straßenschlachten gegen die Polizei. Ich ging mit den streikenden Studenten auf die Straße und besuchte politische Versammlungen. So lernte ich ein paar verrückte Typen kennen, aber mit dem Herzen war ich nie dabei. Mich auf Demos bei wildfremden Leuten einzuhaken war mir unangenehm, und wenn wir die Bullen mit Steinen bewerfen mußten, fragte ich mich, ob das wirklich ich war, der da warf. Wollte ich das wirklich? Es gelang mir nicht, für meine Mitdemonstranten die erforderlichen Solidaritätsgefühle aufzubringen. Der Geruch von Gewalt, der über den Straßen hing, die täglich wechselnden Sprechchöre und Parolen verloren bald jeden Sinn. Und die gemeinsame Zeit mit Izumi gewann in meiner Erinnerung an Wert. Aber es gab kein Zurück. Von dieser Welt hatte ich mich endgültig verabschiedet.
    Die meisten meiner Kurse ödeten mich an. Nichts fesselte mich. Nach einer Weile beanspruchte mich mein Teilzeitjob so sehr, daß ich mich so gut wie gar nicht mehr im College blicken ließ; daß ich nach vier Jahren den Abschluß schaffte, war reines Glück. Im vorletzten College-Jahr zog ich mit einem Mädchen zusammen; aber es klappte nicht mit uns, und nach sechs Monaten trennten wir uns wieder. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich mir vom Leben erhoffte.
    Und ehe ich es recht mitbekam, war die Zeit der politischen Kämpfe vorbei. Die gewaltigen Wellen des Protests, die eben noch die Gesellschaft erschüttert hatten, verebbten, ohne eine Spur zu hinterlassen, im farblosen, werktäglichen Einerlei.
    Nach dem College fand ich mit Hilfe eines Freundes eine Stelle im Lektorat eines Schulbuchverlags. Ich ließ mir die Haare schneiden, putzte mir die Schuhe und kaufte mir einen Anzug. Es war ein ziemlich popeliger Verlag, aber in dem Jahr waren die Stellen für College-Absolventen mit Hauptfach Literatur dünn gesät, und bei meinen mehr als bescheidenen Noten und meinen nicht vorhandenen Beziehungen mußte ich mich eben mit dem begnügen, was ich bekam.
    Der Job war die pure Langeweile. Das Arbeitsklima war gar nicht einmal so schlecht, aber tagein, tagaus Schulbücher zu redigieren ödete mich an. Anfangs sagte ich mir: Also gut, ich werde tun, was ich kann, und der Sache einen Reiz abzugewinnen versuchen; und ein halbes Jahr lang arbeitete ich mich dumm und dämlich. Wenn man sich nur lang genug strebend bemüht, muß doch irgendwann die Erlösung kommen, richtig? Aber schließlich gab ich es auf. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte - der Job war nichts für mich. Ich hatte das Gefühl, mein Lebensende starre mir ins Gesicht. Die Monate und Jahre würden vertröpfeln wie Wasser aus einem undichten Hahn, und ich würde immer mehr abstumpfen. Ich hatte bis zur Rente noch dreiunddreißig Jahre abzusitzen: dreiunddreißig Jahre an einem Schreibtisch, angefüllt mit nichts als Korrekturfahnenlesen und Zeilenzählerei. Ich würde ein nettes Mädchen heiraten, ein paar Kinder bekommen und zweimal im Jahr - einziger Lichtblick in einem ansonsten faden Dasein - der üblichen Bonuszahlung entgegensehen. Ich erinnerte mich an das, was Izumi einmal gesagt hatte: »Aus dir wird einmal ein wunderbarer Mensch, das weiß ich. In dir steckt etwas Besonderes.« Jedesmal, wenn es mir wieder einfiel, versetzte es mir einen Stich. Was Besonderes - in mir, Izumi? Vergiß es. Aber dahinter bist du inzwischen sicher selbst gekommen. Was soll's - jeder kann sich mal irren.
    Mechanisch erledigte ich die Arbeit, die man mir auftrug, und verbrachte meine freie Zeit mit Lesen oder Musikhören. Die Arbeit ist nur eine öde Notwendigkeit, hatte ich beschlossen, und wenn ich nicht arbeite, werde ich die Zeit auf die für mich beste und unterhaltsamste Weise nutzen. Deswegen ging ich nie mit, wenn die Leute vom Verlag einen trinken gingen. Nicht, daß ich ein Einzelgänger gewesen und mit den anderen nicht ausgekommen wäre; ich bemühte mich nur nicht, meine Kollegen auch privat kennenzulernen. Meine Freizeit sollte nur mir gehören, das stand für mich fest.
    Vier, fünf Jahre vergingen wie im Flug. Ich hatte mehrere Freundinnen, aber nichts von Dauer. Ich ging ein paar Monate lang mit einer aus, und dann

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