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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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irreparablen Schaden zugefügt. Es gehörte nicht viel dazu, zu erkennen, wie verletzt sie war. Mit ihren Noten hätte sie es eigentlich spielend auf eine der besten Universitäten schaffen müssen, aber sie fiel durch die Aufnahmeprüfung und landete schließlich in einem kleinen, drittklassigen Mädchen-College. Nachdem mein Verhältnis mit ihrer Cousine ans Licht gekommen war, sah ich Izumi nur noch ein einziges Mal. Wir trafen uns in einem Café, in dem wir früher oft zusammen gewesen waren, und redeten lange. Ich versuchte, ihr die Sache so ehrlich wie möglich zu erklären, bemühte mich, die richtigen Worte zu finden, ihr meine Gefühle begreiflich zu machen. Diese Sache mit mir und deiner Cousine ist nicht geplant gewesen, sagte ich; es war wie eine Naturgewalt, es hat uns umgehauen. Ich hatte nicht einmal Schuldgefühle, hatte überhaupt nicht das Gefühl, dich zu betrügen. Mit uns hat das nichts zu tun.
    Natürlich konnte Izumi nicht verstehen, was ich meinte. Und sie nannte mich einen dreckigen Lügner. Womit sie völlig recht hatte. Ohne ein Wort zu sagen, hatte ich hinter ihrem Rücken mit ihrer Cousine geschlafen. Und nicht nur ein- oder zweimal, sondern zehnmal, zwanzigmal. Ich hatte sie vom ersten Augenblick an betrogen. Denn wozu schließlich das Versteckspiel, wenn das, was ich getan hatte, so harmlos gewesen war? Am liebsten hätte ich Izumi das Folgende gesagt: Ich wollte mit deiner Cousine schlafen; ich wollte sie bis zur Hirnerweichung vögeln - tausendmal, in jeder erdenklichen Stellung. Es hat nichts mit dir zu tun, ich hätte das von Anfang an klarstellen müssen. Aber ich war nicht imstande, so etwas zu sagen. Deswegen hatte ich gelogen - immer wieder. Ich hatte irgendeine Ausrede erfunden, warum ich eine Verabredung mit Izumi nicht einhalten könne, und dann war ich nach Kyoto geflitzt, um ihre Cousine zu nageln. Es ließ sich einfach nicht leugnen, schuld war ich und niemand sonst.
    Izumi erfuhr von unserem Verhältnis Ende Januar, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag. Im Februar brachte ich spielend sämtliche Aufnahmeprüfungen hinter mich, und Ende März würde ich nach Tokio umziehen. Vor meiner Abreise rief ich sie an, immer und immer wieder. Aber sie weigerte sich, ans Telefon zu kommen. Ich schrieb ihr lange Briefe und wartete vergeblich auf eine Antwort. Ich kann nicht einfach so fortgehen, dachte ich. Ich kann sie nicht einfach hier allein zurücklassen. Aber ich konnte nichts tun. Izumi wollte nichts mehr mit mir zu tun haben.
    Im Hochgeschwindigkeitszug nach Tokio starrte ich teilnahmslos auf die vorüberziehende Landschaft und dachte über mich nach. Wer war ich? Ich sah auf meine Hände hinunter und auf das Spiegelbild meines Gesichts in der Fensterscheibe. Wer zum Teufel bin ich, fragte ich mich. Zum erstenmal in meinem Leben wallte erbitterter Selbsthaß in mir auf. Wie hatte ich so etwas nur tun können? Aber ich wußte, wie. Wäre ich noch einmal in die gleiche Situation gekommen, ich hätte wieder genauso gehandelt. Und wenn ich Izumi dafür hätte belügen müssen, ich wäre auch diesmal wieder mit ihrer Cousine ins Bett gegangen. Wie sehr es Izumi auch verletzen würde. Mir das einzugestehen, tat weh. Aber es war die Wahrheit.
    Aber nicht nur Izumi war verletzt worden. Auch mir selbst hatte ich eine tiefe Wunde zugefügt, wenngleich ich damals noch nicht wußte, wie tief. Ich hätte aus dieser Erfahrung vieles lernen müssen, aber wenn ich zurückblicke, habe ich daraus nur eine einzige, unumstößliche Erkenntnis gezogen: daß ich im Grunde ein Mensch bin, der fähig ist, Böses zu tun. Ich h atte noch nie bewußt versucht, jemandem weh zu tun, doch ungeachtet aller guten Absichten konnte ich, wenn die Umstände es erforderten, ganz und gar egoistisch, ja, sogar grausam werden. Ich war ein Mensch, der nur eine plausible Ausrede brauchte, um selbst einer geliebten Person bedenkenlos eine Wunde zufügen zu können, die nie mehr heilen würde.
    Das Studium versetzte mich in eine neue Umgebung, in der ich wieder einmal versuchte, mich neu zu entwerfen. Indem ich ein neuer Mensch würde, dachte ich, k önnte ich die Fehler meiner Vergangenheit korrigieren. Anfangs war ich optimistisch; ich konnte es schaffen. Aber am Ende zeigte sich: wohin ich auch ging, immer blieb ich derselbe. Immer wieder beging ich den gleichen Fehler: verletzte andere und dabei auch mich.
    Kurz nach meinem zwanzigsten Geburtstag kam mir plötzlich der Gedanke: Vielleicht habe ich die letzte

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