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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nicht schlecht. Und es wird sogar noch besser. Das ist der richtige Augenblick zum Geldverdienen. Für Leute in meiner Branche bietet sich eine solche Chance höchstens alle zwanzig, dreißig Jahre. Wer jetzt nicht reich wird, wird's nie. Und weißt du, warum?«
    »Keine Ahnung. Die Bauwirtschaft ist nicht gerade mein Fach.«
    »Schau dir Tokio da draußen an. Siehst du die unbebauten Grundstücke überall? Wie ein Mund voller Zahnlücken. Wenn man sich das so von oben anguckt, ist es nicht zu übersehen, aber wenn man zu ebener Erde durch die Straßen geht, fällt es einem nicht auf. Auf diesen Grundstücken standen einmal alte Wohnund Geschäftshäuser, aber sie wurden abgerissen. Die Grundstückspreise sind derart in die Höhe geschossen, daß alte Gebäude nicht mehr rentabel sind. Man kann keine hohen Mieten verlangen, und überhaupt sind Mieter schwer zu finden. Deswegen müssen da neue, größere Gebäude hin. Und Privathäuser im Zentrum - nun, die Leute können die Grundoder Erbschaftssteuer nicht mehr aufbringen. Also verkaufen sie und ziehen in die Vororte. Und zahlungskräftige Immobilienhändler kaufen die alten Häuser auf, lassen sie abreißen und stellen brandneue, funktionalere Gebäude hin. Es wird also nicht mehr lange dauern, bis auf jedem dieser leeren Grundstücke ein neues Gebäude steht. In ein paar Jahren wirst du Tokio nicht mehr Wiedererkennen. An Kapital fehlt es nicht, die japanische Wirtschaft boomt, die Aktienkurse sind hoch wie nie. Und die Banken platzen vor Geld aus allen Nähten. Wenn man Grundstücke als Sicherheit bieten kann, leihen sie einem jede Summe. Deswegen entsteht da draußen ein Hochhaus nach dem anderen. Und rat mal, wer sie baut. Leute wie ich.«
    »Ich verstehe«, sagte ich. »Aber wenn all diese neuen Hochhäuser fertig sind, was wird dann aus Tokio?«
    »Was daraus wird? Na, es wird dynamischer, schöner, funktionaler. Schließlich spiegeln Großstädte immer den Zustand der Wirtschaft wider.«
    »Das ist ja alles schön und gut, aber Tokio erstickt doch schon jetzt an den Autos. Noch ein paar Wolkenkratzer, und die Stadt verwandelt sich in einen einzigen riesigen Parkplatz. Und wie soll die Wasserversorgung mithalten, wenn mal eine längere Trockenperiode kommt? Und im Sommer, wenn alle ihre Klimaanlagen auf Hochtouren laufen lassen, wie soll man da den Energiebedarf decken? Die Elektrizitätswerke werden doch mit Öl aus dem Mittleren Osten betrieben, oder? Was passiert, wenn die nächste Ölkrise kommt? Was dann?«
    »Soll sich die Regierung was ausdenken. Dafür zahlen wir doch die hohen Steuern, oder? Sollen sich doch die ganzen Klugscheißer von der Tokio-Universität die Köpfe darüber zerbrechen. Die laufen doch ständig so hochnäsig durch die Gegend, als wären in Wirklichkeit sie es, die das Land regieren. Sollen sie doch ihren Luxusgehirnen zur Abwechslung mal was zu tun geben. Ich habe da keine Lösung parat. Ich bin ein einfacher Bauunternehmer. Ich bekomme Bauaufträge, und ich führ sie aus. Das versteht man doch unter den Gesetzen des Marktes, oder?«
    Ich sagte nichts. Ich war nicht hergekommen, um über die japanische Wirtschaft zu diskutieren.
    »Ach, lassen wir das«, sagte er, »hören wir mit diesem komplizierten Kram auf und gehen wir einen Happen essen. Ich bin am Verhungern.«
    Wir stiegen in seinen riesigen schwarzen Mercedes und fuhren zu einem Restaurant in Akasaka, in dem es seiner Meinung nach den besten gegrillten Aal gab. Wir wurden nach hinten in einen separaten Raum geführt und ließen uns zum Essen nieder. Da es mitten am Tag war, nippte ich nur ein bißchen am Sake, aber mein Schwiegervater kippte ein Schälchen nach dem anderen.
    »Hast du nicht gesagt, da wäre etwas, worüber du mit mir reden wolltest?« fragte ich. Wenn es etwas Unangenehmes war, wollte ich es lieber gleich hinter mich bringen.
    »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, sagte er. »Keine größere Sache. Ich bräuchte nur deinen Namen für eine gewisse Angelegenheit.«
    »Meinen Namen?«
    »Ich gründe eine neue Gesellschaft, und ich müßte sie unter dem Namen eines anderen eintragen lassen. Es wird von dir nichts weiter verlangt, nur dein Name. Du hast mein Wort, daß du nicht den geringsten Ärger damit hast, und du wirst angemessen entschädigt.«
    »Mach dir darum keine Gedanken«, sagte ich. »Wenn's dir etwas nützt, kannst du meinen Namen so oft gebrauchen, wie du möchtest. Aber um was für eine Gesellschaft geht es eigentlich? Wenn ich schon

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