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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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du mit mir zum Fluß gefahren bist. Daß du mir aus deinem Mund zu trinken gegeben hast. Daß du mich ertragen hast.«
    Ich sah sie an. Ihre Lippen waren ganz nah, die Lippen, die ich geküßt hatte, als ich ihr Wasser eingeflößt hatte. Und wieder schienen diese Lippen mich zu suchen. Leicht geöffnet, so daß ihre schönen weißen Zähne gerade eben hervorschimmerten. Ich spürte noch immer ihre weiche Zunge, die ich berührt hatte, als ich ihr Wasser einflößte. Auf einmal konnte ich kaum mehr atmen und keinen klaren Gedanken fassen. Mein Körper brannte. Sie will mich, dachte ich. Und ich will sie. Aber irgendwie gelang es mir, mich zu beherrschen. Ich mußte hier unbedingt haltmachen. Noch einen Schritt weiter, und es gäbe kein Zurück mehr. Von Haneda aus rief ich zu Hause an. Es war bereits halb neun. »Tut mir leid, daß es so spät geworden ist«, sagte ich zu meiner Frau. »Ich konnte dich nicht früher anrufen. In einer Stunde bin ich zu Hause.«
    »Ich habe lange auf dich gewartet, dann habe ich allein gegessen. Ich hatte Eintopf gekocht«, sagte sie.
    Mein BMW stand am Flughafen, und ich ließ Shimamoto einsteigen. »Wo soll ich dich hinfahren?« fragte ich.
    »Du kannst mich in Aoyama absetzen. Von dort komme ich allein nach Hause«, sagte sie.
    »Ist auch bestimmt alles in Ordnung?«
    Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln und nickte.
    Wir schwiegen, bis ich bei Gaien von der Autobahn abfuhr. Ich hatte eine Kassette mit einem Orgelkonzert von Händel eingelegt und es sehr leise gestellt. Shimamoto hielt die Hände brav auf dem Schoß und sah aus dem Fenster. Es war Sonntagabend, und die Autos ringsum waren voller Familien, die von ihrem Tagesausflug zurückkamen. Ich schaltete rasch in den nächsten Gang.
    »Hajime«, sagte Shimamoto, als wir uns dem Aoyama-Boulevard näherten. »Vorhin in Ishikawa hab ich gedacht, wie schön es wäre, wenn das Flugzeug nicht starten könnte.«
    Ich habe genau das gleiche gedacht, wollte ich ihr sagen. Aber ich sagte nichts. Ich hatte einen trockenen Mund und brachte nichts heraus. Ich nickte bloß und griff nach ihrer Hand. An der Ecke von Aoyama 1-chome bat sie mich anzuhalten, und ich ließ sie aussteigen.
    »Darf ich wieder in die Bar kommen?« fragte sie leise, als sie die Tür öffnete. »Hältst du meine Anwesenheit noch aus?«
    »Ich werde auf dich warten«, sagte ich.
    Shimamoto nickte.
    Als ich davonfuhr, dachte ich: Wenn ich sie nie wiedersehe, werde ich wahnsinnig. Kaum war sie ausgestiegen und verschwunden, war meine Welt hohl und bedeutungslos geworden.

11
    Vier Tage, nachdem Shimamoto und ich aus Ishikawa zurückgekehrt waren, erhielt ich einen unerwarteten Anruf von meinem Schwiegervater. Er sagte, er wolle mich um einen Gefallen bitten, und lud mich für den nächsten Tag zum Lunch ein. Ziemlich verwundert sagte ich zu. Gewöhnlich gestattete ihm sein voller Terminkalender nur Geschäftsessen.
    Sechs Monate zuvor war seine Firma von Yoyogi in ein neues, sechsstöckiges Gebäude in Yotsuya umgezogen. Seine Büroräume nahmen die beiden obersten Geschosse ein, die unteren fünf hatte er an andere Firmen, Restaurants und Geschäfte vermietet. Alles blitzte funkelnagelneu. Die Eingangshalle prunkte mit einem Marmorfußboden, einer Dekke, die einer Kathedrale würdig gewesen wäre, und einer riesigen Keramikvase, aus der Blumen quollen. Als ich im fünften Stock aus dem Fahrstuhl stieg, wurde ich von einer jungen Empfangssekretärin begrüßt, die mit ihrem prachtvollen Haar aussah, als sei sie einer Shampoo-Werbung entsprungen. Sie rief meinen Schwiegervater an, um ihm mitzuteilen, daß ich da sei. Ihr Telefon war eine dunkelgraue Hightech-Angelegenheit, die mich an einen Schuhlöffel mit eingebautem Taschenrechner erinnerte. Sie strahlte mich an und sagte: »Bitte gehen Sie nur durch. Der Herr Generaldirektor erwartet Sie bereits.« Ein hinreißendes Lächeln, aber mit dem von Shimamoto nicht zu vergleichen.
    Das Direktionszimmer befand sich in der obersten Etage, und sein großes Panoramafenster gewährte einen Ausblick auf die Stadt. Vielleicht nicht gerade ein herzerwärmendes Panorama, doch der Raum selbst war groß und hell. An der Wand hing ein impressionistisches Gemälde: ein Leuchtturm und ein Boot. Es sah aus wie ein Seurat; gut möglich, daß es ein Original war.
    »Die Geschäfte blühen, scheint mir«, sagte ich.
    »Sie laufen nicht schlecht«, erwiderte mein Schwiegervater. Er trat ans Fenster und deutete nach draußen. »Ganz und gar

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