Gefährliche Geliebte
schlecht. Dafür kann man nichts.«
»Es tut mir leid«, sagte sie.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast nichts Unrechtes getan.«
»Aber ich habe dir die Pläne verdorben.«
Ich strich ihr über das Haar, beugte mich hinüber und küßte sie auf die Wange. Ich verzehrte mich danach, ihren ganzen Körper an mich zu drücken und seine Wärme zu spüren. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nur ihre Wange küssen. Sie war warm, weich und feucht. »Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen«, sagte ich. »Es wird schon alles gut werden.« Als wir den Flughafen erreicht und den Mietwagen abgegeben hatten, hätten wir eigentlich längst an Bord sein müssen. Zum Glück hatte unser Flug Verspätung. Die Maschine stand noch auf dem Vorfeld; die Passagiere warteten im Terminal. Wir atmeten beide erleichtert auf. Die Maschine werde noch gewartet, erfuhren wir am Eincheckschalter. Wir wissen nicht, wie lange es dauern wird, sagte der Mann, wir haben keine weiteren Informationen. Es hatte zu schneien begonnen, als wir am Flughafen ankamen; mittlerweile kam es richtig dicht herunter. Bei so viel Schnee war es gut möglich, daß der Flug ganz ausfiel.
»Was machst du, wenn du heute nicht mehr nach Tokio zurückkannst?« fragte Shimamoto.
»Keine Sorge. Die Maschine fliegt schon noch«, sagte ich, ohne einen Beweis dafür zu haben. Die Vorstellung, daß die Maschine durchaus auch am Boden bleiben konnte, deprimierte mich. Ich würde mir eine erstklassige Entschuldigung zurechtlegen müssen. Wie zum Teufel kam es, daß ich auf einmal in Ishikawa festsaß? Schluß, sagte ich zu mir; befassen wir uns damit, wenn es soweit ist. Wenn ich mir jetzt um irgend etwas Gedanken machen mußte, dann um Shimamoto.
»Und was ist mit dir?« fragte ich. »Was tust du, wenn wir heute nicht mehr nach Tokio zurückkönnen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mach dir meinetwegen keine Sorgen«, sagte sie. »Das Problem bist du. Du sitzt dann in der Patsche.«
»Mag sein. Aber keine Angst - noch haben sie ja nicht gesagt, daß der Flug ausfällt.«
»Ich wußte, daß irgend so etwas passieren würde«, sagte sie wie zu sich selbst. »Sobald ich dabei bin, passiert nie etwas Gutes, man kann sich drauf verlassen. Wenn ich im Spiel bin, geht grundsätzlich etwas schief: Alles läuft glatt, dann stoße ich hinzu, und bums! bricht alles auseinander.«
Ich saß auf der Bank in der Flughafenhalle und dachte über das Telefongespräch mit Yukiko nach, das nötig werden würde, sollte der Flug wirklich ausfallen. Im Kopf probierte ich verschiedene Ausreden aus, aber jede, die mir einfiel, klang lahm. Ich war am Morgen aus dem Haus gegangen, angeblich, um den Sonntag mit den Jungs vom Schwimmclub zu verbringen, und am Abend saß ich eingeschneit in Ishikawa - das konnte ich unmöglich erklären. Sollte ich vielleicht sagen: »Kaum war ich aus dem Haus, hat mich der unüberwindliche Wunsch gepackt, das Japanische Meer wiederzusehen, also bin ich kurzerhand zum Flughafen Haneda gefahren«? Jetzt mach aber einen Punkt. Wenn ich nichts Besseres zu bieten hatte, konnte ich gleich den Mund halten. Oder noch besser, ich könnte es vielleicht mit der Wahrheit versuchen. Zu meinem Schrecken wurde mir bald darauf bewußt, daß ich in Wirklichkeit hoffte, wir würden eingeschneit und der Flug würde gestrichen. Im Unterbewußtsein hoffte ich, meine Frau würde herausfinden, daß ich mit Shimamoto hier war. Ich wollte Schluß machen mit den Ausreden, den Lügen. Vor allem aber wollte ich genau da bleiben, wo ich mich befand, mit Shimamoto neben mir, und den Dingen ihren Lauf lassen.
Schließlich startete die Maschine doch, mit anderthalbstündiger Verspätung. Kaum saßen wir auf unseren Plätzen, lehnte sich Shimamoto an mich und schlief ein. Vielleicht hielt sie aber auch nur die Augen geschlossen. Ich legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie an mich. Manchmal hatte ich den Eindruck, sie weine. Sie schwieg während des ganzen Fluges; wir redeten erst wieder, als die Maschine bereits zur Landung ansetzte.
»Shimamoto-san, ist mit dir auch wirklich alles in Ordnung?«
Eng an mich gekuschelt, nickte sie. »Ja, solange ich das Medikament nehme. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
Sie legte den Kopf wieder an meine Schulter. »Aber stell mir keine Fragen, ja? Warum das passiert ist.«
»Verstanden. Keine
Fragen«, sagte ich.
»Ich danke dir sehr für den heutigen Tag«, sagte sie.
»Für welchen Teil des Tages?«
»Dafür, daß
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