Gefährliche Geliebte
irrte ziellos durch die Straßen und fuhr nachmittags zu früh zum Kindergarten. Und ich unterhielt mich mit der Mercedes-260E-Dame. Wir setzten uns in ein Café in der Nähe und tratschten bei einer Tasse Kaffee wie gewohnt über den Zustand des Gemüses in der Lebensmittelabteilung von Kinokuniya, die befruchteten Eier im Naturkostladen Natural House, die Sonderangebote im Miki House. Sie schwärmte für die Designer-Mode von Inaba Yoshie und bestellte immer alles aus dem Katalog, was sie für die kommende Saison haben wollte. Wir redeten auch über das wunderbare Aal-Restaurant, das es bis vor kurzem auf dem Omote Sando, in der Nähe der Polizeistation, gegeben hatte. Wir unterhielten uns gern miteinander. Die Frau war freundlicher und offener, als sie zunächst gewirkt hatte. Nicht, daß ich mich sexuell von ihr angezogen fühlte; ich brauchte nur jemanden - irgend jemanden - , mit dem ich reden konnte. Was ich brauchte, waren harmlose, bedeutungslose Gespräche, Gespräche, die zu nichts anderem führen würden als zurück zu Shimamoto.
Wenn mir überhaupt nichts mehr einfiel, ging ich shoppen. Einmal kaufte ich mir aus einer puren Laune heraus sechs Hemden. Ich kaufte Spielzeug und Puppen für meine Töchter, Accessoires für Yukiko. Ich ging ein paarmal beim Ausstellungsraum von BMW vorbei, um mir den M5 anzusehen; ich hatte nicht wirklich vor, einen zu kaufen, ließ aber den Verkäufer seine Show abziehen.
Ein paar derart zerfahrene Wochen genügten, um mich wieder zur Besinnung zu bringen. So geht's nicht weiter, beschloß ich. Also setzte ich mich mit einem Innenarchitekten und einem Dekorateur zusammen, und gemeinsam überlegten wir, wie man die Bars umgestalten könnte. Beide hatten eine kleine Renovierung ohnehin längst nötig, und außerdem war es höchste Zeit, daß ich mir ernsthaft Gedanken über meine Art der Geschäftsführung machte. Mit Bars ist es wie mit Menschen: Es gibt Zeiten, in denen man sie in Ruhe lassen sollte, und Zeiten für Veränderungen. Wenn man sich immer nur in derselben Umgebung bewegt, wird man stumpf und lethargisch. Der Energiepegel sinkt steil ab. Selbst Luftschlösser können ab und zu einen neuen Anstrich gebrauchen. Ich nahm mir zuerst die andere Bar vor und sparte mir das Robin's Nest für später auf.
Den Anfang machte ich damit, daß ich den Bereich hinter dem Tresen von allem übertriebenen Designer-Schnickschnack befreite, der einem im Grunde ganz schön auf den Wecker gehen konnte; es sollte nun ein effizienter, funktionaler Arbeitsplatz entstehen. Auch eine Generalüberholung der Beschallungs- und der Klimaanlage war allmählich fällig, und das gleiche galt für die Speisekarte, die ich jetzt drastisch umgestaltete. Ich befragte das Personal und trug eine ansehnliche Liste von Verbesserungsvorschlägen zusammen. Ich beschrieb dem Innenarchitekten in allen Details, wie ich mir die neue Bar vorstellte, ließ ihn einen Entwurf zeichnen und schickte ihn dann wieder an das Reißbrett zurück, damit er noch ein paar Dinge nachtrug, die mir inzwischen eingefallen waren. Diese Prozedur wiederholten wir einige Male. Ich wählte alle Materialien aus, ließ mir von den Firmen Kostenvoranschläge aufstellen, korrigierte meine Kalkulation. All das hielt mich sehr beschäftigt, aber genau darum ging es mir.
Der Mai kam und ging, es wurde Juni. Und noch immer keine Shimamoto. Ich war mir sicher, daß sie für immer verschwunden war. Wahrscheinlich kann ich eine Zeitlang nicht mehr kommen, hatte sie geschrieben. Worunter ich am meisten litt, war dieses wahrscheinlich, dieses eine Zeitlang, die darin liegende Unbestimmtheit. Eines Tages würde sie vielleicht wieder auftauchen. Aber ich konnte nicht nur herumsitzen und meine Hoffnungen und Träume auf vage Versprechungen stützen. Mach so weiter, sagte ich mir, und du endest früher oder später in der Klapsmühle; daher achtete ich darauf, daß ich ständig etwas zu tun hatte. Ich fing an, jeden Morgen ins Schwimmbad zu gehen: schwamm ohne Pause zweitausend Meter und ging danach zum Hanteltraining hinauf in den Fitneßraum. Eine Woche dieser Art, und meine Muskeln begannen zu rebellieren. Einmal, als ich im Auto vor einer roten Ampel wartete, spürte ich, wie mein linker Fuß taub wurde, und ich konnte die Kupplung nicht durchtreten. Allmählich gewöhnten sich meine Muskeln jedoch an das harte Training. Die schwere körperliche Anstrengung ließ zum Denken keinen Raum, und wenn ich meinen Körper ständig in Bewegung hielt,
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