Gefährliche Geliebte
Anzeigetafel blinkt; das dichte Schneegestöber draußen vor dem Fenster. Man kann nicht weiter als fünfzig Meter sehen. Auf der Bank Shimamoto: reglos, die Arme eng um sich geschlungen. Ihre marineblaue Seemannsjacke und ihr Schal. Ihr Körper mit seinem Duft nach Tränen und Traurigkeit. Ich konnte diesen Duft noch immer riechen. Neben mir im Bett die ruhigen Atemzüge meiner schlafenden Frau. Sie ahnt nichts. Ich schloß die Augen und schüttelte den Kopf. Sie ahnt nichts.
Der verlassene Parkplatz des Bowling-Centers, der Schnee, den ich im Mund tauen ließ und ihr einflößte. Shimamoto im Flugzeug, in meinen Armen. Ihre geschlossenen Augen, der Seufzer aus ihrem leicht geöffneten Mund. Ihr Körper, weich und matt. Damals hatte sie mich gewollt. Ihr Herz war für mich offen gewesen. Doch ich hatte mich zurückgehalten, mich an die Mondoberfläche geklammert, an diese leblose Welt. Und am Ende hatte sie mich verlassen, und aufs neue war mir mein Leben abhanden gekommen.
Manchmal wachte ich nachts um zwei oder drei auf und konnte nicht mehr einschlafen. Ich stand dann auf, ging in die Küche und schenkte mir einen Whisky ein. Das Glas in der Hand, sah ich hinunter auf den dunklen Friedhof gegenüber und auf die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. Die Zeitfäden, die die Nacht mit dem Morgengrauen verbanden, waren lang und dunkel. Wenn ich hätte weinen können, wäre vielleicht einiges leichter gewesen. Aber worüber hätte ich weinen sollen? Um wen hätte ich weinen können? Ich war zu ichbezogen, als daß ich um andere hätte weinen können, zu alt, um mich selbst zu beweinen. Endlich kam der Herbst. Und als er da war, gelangte ich zu einem Entschluß. Etwas mußte anders werden: So konnte ich nicht mehr weiterleben.
13
Nachdem ich meine Töchter am Kindergarten abgesetzt hatte, fuhr ich ins Hallenbad und schwamm meine gewohnten zweitausend Meter. Ich stellte mir vor, ich sei ein Fisch. Bloß ein Fisch, der an nichts zu denken brauchte, nicht einmal ans Schwimmen. Dann duschte ich, tauschte die Badehose gegen ein T-Shirt und Shorts und fing an, Gewichte zu stemmen.
Danach fuhr ich zu dem Einzimmerapartment, das mir als Büro diente, und nahm mir die Bücher vor, berechnete die Gehälter meiner Angestellten und arbeitete am Entwurf für die Neugestaltung des Robin's Nest, die ich im folgenden Februar in Angriff nehmen wollte. Um eins ging ich wie immer nach Hause und aß zusammen mit meiner Frau zu Mittag.
»Schatz, heute morgen hat mein Vater angerufen«, sagte Yukiko. »Wie immer furchtbar in Eile. Er hat mir eine Aktie genannt, die demnächst steigen wird wie eine Rakete, und wir sollten davon so viel wie nur irgend möglich kaufen. Das sei keiner der üblichen Börsentips, meinte er, sondern etwas ganz Besonderes, und todsicher dazu.«
»Wenn's wirklich soviel einbringt, sollte er nicht uns davon erzählen, sondern stillschweigend selbst absahnen. Ich frag mich, warum er das nicht tut.«
»Er sagte, das sei seine Art, sich bei dir zu bedanken - du würdest schon wissen, wofür. Stimmt das? Er tritt uns gewissermaßen seinen Anteil ab. Er meinte, wir sollten alles investieren, was wir haben, und uns keine Sorgen machen, denn diese Aktie sei heiß. Und wenn aus irgendeinem Grund doch kein Gewinn rausspringen sollte, würde er dafür sorgen, daß wir nicht einen Yen verlören.«
Ich legte meine Gabel auf meinen Teller mit Nudeln. »Sonst noch was?«
»Na ja, er meinte, wir sollten schnell handeln, darum habe ich die Bank angerufen, unsere Sparkonten gekündigt und den Auftrag erteilt, das Geld an Herrn Nakayama vom Investment-Haus zu überweisen. Damit er die Aktien kaufen konnte. Ich habe nur etwa acht Millionen Yen zusammenkratzen können. Hätte ich vielleicht doch mehr kaufen sollen?«
Ich trank einen Schluck Wasser. Und bemühte mich, die richtigen Worte zu finden. »Und bevor du das alles getan hast - warum hast du mich nicht gefragt?«
»Dich gefragt?« sagte sie überrascht. »Aber du kaufst doch immer die Aktien, die mein Vater dir nennt. Hast du mich das nicht schon x -mal machen lassen? Du sagst doch immer, nur zu, ich solle tun, was ich für richtig halte. Und das habe ich eben getan. Mein Vater meinte, wir dürften nicht eine Minute verlieren. Du warst im Schwimmbad, und ich konnte dich nicht erreichen. Also ...?«
»Schon gut«, sagte ich. »Aber ich möchte, daß du das ganze Aktienpaket wieder verkaufst.«
»Verkaufen soll ich?« Sie kniff die Augen zusammen, als würde sie von
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