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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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jeden Tag, von früh bis spät. Ich habe versucht, damit aufzuhören, aber ich konnte es nicht. Und ich bin zum folgenden Schluß gelangt. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich will dich nie wieder verlieren. Ich will nie wieder die Worte eine Zeitlang oder wahrscheinlich hören. Du wirst wieder sagen, wir können uns eine Zeitlang sehen, und dann wirst du verschwinden. Und keiner kann sagen, wann du wiederkommst. Es könnte auch sein, daß du nie mehr zurückkommst und daß ich dich bis zum Ende meines Lebens niemals wiedersehe. Und das könnte ich nicht ertragen. Ein solches Leben wäre sinnlos.«
    Shimamoto sah mich schweigend an, noch immer mit einem leisen Lächeln. Mit einem stillen Lächeln, dem nichts etwas anhaben konnte, das mir nichts von dem verriet, was sich dahinter verbarg. Angesichts dieses Lächelns meinte ich, alle Empfindungen würden mir genommen. Für einen Moment verlor ich die Orientierung, jegliches Gefühl dafür, wer ich war und wo ich mich befand. Nach einer Weile jedoch fand ich die Worte wieder. »Ich liebe dich«, sagte ich zu ihr. »Nichts kann je etwas daran ändern. Ein so besonderes Gefühl dürfte einem nie, nie genommen werden. Ich habe dich viele Male verloren. Aber ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen. Diese letzten Monate haben mir das gezeigt. Ich liebe dich, und ich will nicht, daß du mich je verläßt.«
    Als ich verstummte, schloß sie die Augen. Im Ofen brannte das Feuer, und Nat King Cole sang weiter seine alten Songs. Ich sollte noch etwas sagen, dachte ich, aber mir fiel nichts weiter ein.
    »Hajime«, sagte sie, »das ist jetzt sehr wichtig, hör also bitte genau zu. Wie ich dir schon gesagt habe, gibt es bei mir kein Dazwischen, keine Halbheiten. Du nimmst mich entweder ganz oder gar nicht. So läuft das bei mir. Wenn es dich nicht stört, wie bisher weiterzumachen, wüßte ich nicht, was uns daran hindern sollte. Ich weiß zwar nicht, wie lange wir so weitermachen könnten, aber ich würde alles dafür tun, was in meiner Macht steht. Wann immer ich dich besuchen kann, werde ich es tun. Aber wenn ich nicht kann, dann kann ich nicht. Ich kann nicht einfach jedesmal zu dir kommen, wenn mir gerade danach ist. Vielleicht befriedigt dich dieses Arrangement nicht, aber wenn du nicht willst, daß ich wieder fortgehe, mußt du mich ganz nehmen. Alles an mir. Das ganze Gepäck, das ich mit mir herumschleppe, alles, was an mir haftet. Und ich werde dich ganz nehmen. Verstehst du das? Verstehst du, was das bedeutet?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und du willst immer noch mit mir zusammensein?«
    »Ich habe mich schon entschieden, Shimamoto-san«, sagte ich. »Ich habe d arüber nachgedacht, während du verschwunden warst, und ich habe meine Entscheidung getroffen.«
    »Aber du hast eine Frau und zwei Kinder, Hajime. Und du liebst sie. Du willst tun, was für sie richtig ist.«
    »Natürlich liebe ich sie. Sehr sogar. Und ich will für sie sorgen. Aber etwas fehlt. Ich habe eine Familie, einen Beruf, und ich kann über beides nicht klagen. Man könnte mich als glücklich bezeichnen. Und doch weiß ich, seitdem ich dich wiedergetroffen habe, daß etwas fehlt. Die wichtige Frage ist, was fehlt. Etwas, was dasein müßte, ist nicht da. In mir und meinem Leben. Und deshalb ist ein Teil von mir ständig hungrig, ständig durstig. Weder meine Frau noch meine Kinder können diesen Mangel ausfüllen. Es gibt auf der ganzen Welt nur einen Menschen, der das kann. Du. Erst jetzt, da dieser Durst gestillt ist, begreife ich, wie leer ich war. Und wie sehr ich, so viele Jahre lang, gehungert und gedürstet habe. Ich kann nicht dorthin zurück.«
    Shimamoto schlang die Arme um mich und legte den Kopf an meine Schulter. Ich spürte die Weichheit ihres Körpers. Er drängte sich an mich, warm, fordernd.
    »Ich liebe dich auch, Hajime. Du bist der einzige Mensch, den ich je geliebt habe. Ich glaube nicht, daß dir bewußt ist, wie sehr ich dich liebe. Seit ich zwölf war, liebe ich dich. Wann immer mich jemand anders in den Armen hielt, dachte ich an dich. Und das ist der Grund, warum ich dich nie wiedersehen wollte. Wenn ich dich auch nur ein einziges Mal sähe, würde ich es nicht länger ertragen. Aber ich habe es nicht fertiggebracht, mich von dir fernzuhalten. Zuerst dachte ich, ich würde mich nur vergewissern, daß du es wirklich bist, und gleich wieder gehen. Aber sobald ich dich gesehen hatte, mußte ich auch mit dir sprechen.« Sie ließ den Kopf an meiner Schulter. »Schon damals, als

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