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Gefährliche Geliebte

Gefährliche Geliebte

Titel: Gefährliche Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Sinne konnte man mich als überzeugten Einzelgänger bezeichnen. Ich hatte eine starke Abneigung gegen Mannschaftssport gleich welcher Art. Jede Form von Wettkampf, bei der man gegen einen oder mehrere Konkurrenten Punkte sammeln mußte, war mir zuwider. Am liebsten schwamm ich allein vor mich hin, Bahn um Bahn.
    Nicht, daß ich ein absoluter Einzelgänger gewesen wäre. Mit der Zeit fand ich auf der Schule schon Freunde, wenigstens ein paar. Die Schule selbst konnte ich nicht ausstehen. Und bei den Freunden hatte ich immer das Gefühl, sie versuchten, mich zu erdrücken, und ich müßte ständig in Verteidigungsbereitschaft sein. Das härtete mich ab. Wären diese Freunde nicht gewesen, hätte ich aus diesen tückischen Teenagerjahren noch mehr Narben davongetragen.
    Seit ich regelmäßig schwimmen ging, war ich längst nicht mehr so heikel, was das Essen betraf, und ich konnte mich mit Mädchen unterhalten, ohne rot zu werden. Daß ich ein Einzelkind war, kümmerte nun niemanden mehr. Wenigstens nach außen hatte ich mich anscheinend vom Fluch des Einzelkinds befreit.
    Und ich fand eine Freundin. Sie war nicht besonders hübsch - nicht der Typ, der jeder Mutter auf dem Jahrgangsfoto sofort als das hübscheste Mädchen der Schule ins Auge gesprungen wäre, aber als ich sie zum erstenmal sah, fand ich sie ziemlich niedlich. Auf einem Foto konnte man das nicht erkennen, aber sie strahlte eine freimütige Wärme aus, die sehr anziehend wirkte. Sie war keine Schönheit, mit der ich hätte angeben können, aber ich war schließlich auch kein so toller Fang.
    Im vorletzten Schuljahr waren sie und ich in derselben Klasse, und wir gingen oft miteinander aus. Anfangs zusammen mit dem einen oder anderen Pärchen, später nur wir zwei. Ich weiß nicht genau, warum, aber ich war in ihrer Gesellschaft immer entspannt. Ich konnte sagen, was ich wollte, und sie hörte aufmerksam zu. Ich konnte irgend etwas daherschwafeln, aber aus ihrem Gesicht hätte man schließen können, ich sei im Begriff, eine großartige Entdeckung zu offenbaren, die den Gang der Geschichte verändern würde. Seit Shimamoto war es das erste Mal, daß ein Mädchen sich von allem, was ich zu erzählen hatte, so gefesselt zeigte; und ich wiederum war begierig, alles zu erfahren, was es über sie nur zu wissen gab. Was sie jeden Tag aß, wie sie ihr Zimmer eingerichtet hatte. Was sie von ihrem Fenster aus sah.
    Sie hieß Izumi. Toller Name, sagte ich zu ihr, als wir das erste Mal miteinander sprachen. Er bedeutet auf japanisch »Bergquelle«. Wirf eine Axt hinein, und schwupp! kommt eine Fee heraus, sagte ich in Anspielung auf das Märchen. Izumi lachte. Sie hatte eine Schwester, die drei Jahre jünger war als sie, und einen fünf Jahre jüngeren Bruder. Ihr Vater war Zahnarzt, sie wohnten - wo auch sonst - in einem Einfamilienhaus und hatten einen Hund. Der Hund war ein deutscher Schäferhund namens Karl, nach Karl Marx, so unglaublich das auch klingt. Ihr Vater war Mitglied der japanischen Kommunistischen Partei. Zweifellos wird es auf der Welt auch kommunistische Zahnärzte geben, aber alle zusammen dürften sich wahrscheinlich in vier, fünf Bussen unterbringen lassen. Darum fand ich es schon ganz schön komisch, daß ausgerechnet der Vater meiner Freundin dieser seltenen Spezies angehörte. Izumis Eltern waren Tennisfanatiker, und Sonntag für Sonntag pilgerten sie, den Schläger in der Hand, zum Tennisplatz. Ein kommunistischer, tennisversessener Zahnarzt - schon eine komische Kombination! Izumi interessierte sich nicht für Politik, aber sie liebte ihre Eltern, und gelegentlich schloß sie sich ihnen zu einem Match an. Sie versuchte, mich für das Spiel zu gewinnen, aber Tennis war nicht mein Ding.
    Sie beneidete mich, weil ich ein Einzelkind war. Sie kam mit ihren Geschwistern nicht gut aus. Wenn man sie hörte, waren das zwei herzlose Idioten, die sie lieber heute als morgen losgeworden wäre. Ich habe mir immer gewünscht, ein Einzelkind zu sein, sagte sie, und tun und lassen zu können, was mir paßt, ohne auf Schritt und Tritt genervt zu werden.
    Bei unserer dritten Verabredung küßte ich sie. An dem Tag war sie bei mir. Meine Mutter war einkaufen gegangen, und wir hatten das ganze Haus für uns. Als ich mein Gesicht vorbeugte und ihre Lippen mit meinen berührte, schloß sie einfach die Augen und sagte kein Wort. Ich hatte mir für den Fall, daß sie sauer werden oder das Gesicht abwenden würde, ein ganzes Dutzend Entschuldigungen zurechtgelegt,

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