Gefaehrliche Kaninchen
…« Und er gibt ihr das Buch.
»Cool.«
Leonie scheint sich echt zu freuen, und das wiederum freut Max. »Kannst du behalten«, sagt er großmütig. Erst jetzt schielt er auf den Titel und merkt, dass er »Ásgeir der Wikingerfürst« verschenkt hat; eins der wenigen Bücher, die er tatsächlich mal gelesen hat. Zumindest den Anfang. Also, wenigstens sechs Seiten. »Es geht um einen Wikingerfürsten, der heißt Ásgeir.«
Leonie lächelt. »Hab ich mir fast gedacht.«
Max wird rot. Wenn Leonie lächelt, erscheinen zwei Grübchen auf ihren Wangen.
»Ich hab auch was für dich.« Leonie kramt in einem Beutel, den sie mitgebracht hat. Es ist einer dieser Stoffbeutel, die man zum Einkaufen bekommt, wenn man umweltfreundlich ist und keine Plastiktüten will: Max’ Mutter würde niemals eine Plastiktüte nehmen, weil sie nicht verrotten. Lieber würde sie alle Einkäufe einzeln nach Hause tragen, sagt sie.
»Hier.« Leonie reicht ihm einen uralten Gameboy aus dem Stoffbeutel. Er ist knallgrün oder zumindest war er es mal: Die Farbe sieht schon reichlich abgegrabbelt aus, eine Ecke ist angeschlagen und das Display auch reichlich zerkratzt. »Er ist schon alt«, setzt Leonie entschuldigend hinzu, »aber er geht noch. Er gehörte meinem Bruder. Der hat jetzt etwas anderes.«
»Cool«, sagt Max. »Ist ein Spiel drin?«
»Glaube schon.«
Max macht ihn an. Und lacht. »Super Mario, wer sagt’s denn.« Der Tag gewinnt zunehmend, findet er. Er schaut hoch. »Du hast einen Bruder?«
»Mmmh«, macht Leonie. Sie liest in »Ásgeir der Wikingerfürst«.
Max muss grinsen. Bei seiner Mutter macht ihn das wahnsinnig, dieses »mmmh«. Bei Leonie nicht. Bei Leonie ist es irgendwie … süß.
»Was denn?« Sie schaut hoch.
»Nichts«, sagt Max und wird rot, weil er das gedacht hat. Er sucht sich ein Auto und einen Fahrer aus und versucht, sich zu konzentrieren.
Kurze Zeit später sind beide in ihren Welten verschwunden. Und es fühlt sich keineswegs so an, als wären sie dort allein.
Sie verstecken ihre Schätze in der Tupperdose, bevor sie gehen. Leonie kann das Buch nicht mitnehmen wegen der Riesen und Max den Gameboy nicht wegen des Hundes, der ihn dann vielleicht erwischt.
Leonie nickt. »Macht nichts. Hier ist ein super Versteck.«
Das findet Max auch.
Unschlüssig stehen sie sich gegenüber.
»Also«, sagt Max, »ich geh dann mal.«
Leonie nickt. »Ich muss auch los.«
Beide gehen nicht.
Max schabt mit den Füßen eine Kuhle in den Sand. »Wo wohnst du eigentlich?«
»Da drüben«, sagt Leonie und zeigt über den Bach, »im Neubaugebiet. Wir sind erst vor Kurzem hierhergezogen. Und du?«
»Dort hinten.« Max nickt in Richtung Kaninchenwald. »Ist gar nicht weit von hier. Hast du Geschwister?« Es rutscht ihm so raus, obwohl er das ja wohl weiß: Der Gameboy gehörte ihrem Bruder.
Leonie zögert, als müsse sie sich erst überlegen, ob sie Geschwister hat. Schließlich nickt sie. »Einen Haufen. Und du?«
»Du hast einen Haufen Geschwister?«
»Ja, aber nicht alle echt.«
Es ist klar, dass sie eigentlich nicht darüber reden will, aber Max ist neugierig. »Was heißt das: Nicht alle echt?«
»Wir sind durcheinandergewürfelt«, sagt Leonie und macht eine ungeduldige Handbewegung. »Meine Mutter hatte schon meinen Bruder und mich, Klaus hatte auch drei Söhne. Klaus ist mein Vater. Und zusammen haben sie noch ein Kind gekriegt, das ist meine kleine Schwester. Sie sind sehr, sehr viele.« Sie sagt »sie«, nicht »wir«.
Max rechnet nach. »Dann hast du … vier Brüder und eine Schwester? Wow.«
»Ja, wow«, wiederholt Leonie, aber es klingt gar nicht glücklich.
»Versteht ihr euch nicht?«
Leonies Augen blitzen. »Wer sagt denn, dass wir uns nicht verstehen? Wir verstehen uns super. Wir sind eine supergroße Familie und das ist … super, eben.«
Bisschen viel super, findet Max, aber das sagt er nicht. »Ich bin unsichtbar«, sagt er. Es rutscht ihm raus, ohne dass er etwas dagegen hätte tun können. »Ich meine, ich habe keine Geschwister«, verbessert er sich hastig.
»Toll«, sagt Leonie und sieht so aus, als meinte sie das ernst. Todernst.
»Ja, meine Eltern sind schon älter. Sie arbeiten in der Uni.« Jetzt fühlt er sich unbehaglich. Als hätte er seine Eltern verraten, oder so. »Vielleicht sollten wir tauschen«, sagt Max, um das Gefühl zu vertreiben und was Lustiges zu sagen. »Du könntest bei mir leben und den ganzen Tag lesen. Und ich spiele mit deinen Brüdern Gameboy.«
Es
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