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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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den Nachhall in dem einen Striemen in meinem Gesicht. Ich multipliziere meinen eigenen Schmerz mit zwei, mit drei, mit vierzig und kann nur hoffen, dass Gale vorerst nicht zu Bewusstsein kommt. Das ist natürlich zu viel verlangt. Als die letzten Verbände angelegt werden, kommt ein Stöhnen über seine Lippen. Hazelle streicht ihm übers Haar und flüstert etwas, während meine Mutter und Prim ihren kärglichen Vorrat an Schmerzmitteln in Augenschein nehmen, Schmerzmittel, wie normalerweise nur Ärzte sie haben. Sie sind schwer zu bekommen, teuer und immer begehrt. Die stärksten muss meine Mutter für die schlimmsten Schmerzen aufbewahren, doch was sind die schlimmsten Schmerzen? Für mich sind es immer die Schmerzen, die gerade akut sind. Wenn ich zu bestimmen hätte, wären die Schmerzmittel in einem Tag aufgebraucht, weil ich es kaum ertragen kann, jemanden leiden zu sehen. Meine Mutter versucht sie für diejenigen aufzuheben, die im Sterben liegen, um ihnen den Abschied von der Welt zu erleichtern.
    Da Gale wieder zu Bewusstsein kommt, entscheiden sie sich für eine Kräutermischung, die er schlucken kann. »Das reicht ganz bestimmt nicht«, sage ich. Sie starren mich an. »Das reicht nicht, ich weiß, wie es sich anfühlt. Damit kommt man ja kaum gegen Kopfschmerzen an.«
    »Wir kombinieren es mit Schlafsirup, Katniss, dann schafft er das schon. Die Kräuter sind eher gegen die Entzündung ...«, erklärt meine Mutter ruhig.
    »Jetzt gib ihm schon die Medizin!«, schreie ich sie an. »Na los! Wer bist du überhaupt, dass du meinst, du könntest entscheiden, wie viel Schmerzen er ertragen kann!«
    Gale bewegt sich unruhig, als er meine Stimme hört, er streckt die Arme nach mir aus. Durch die Bewegung tritt frisches Blut aus den Wunden und befleckt die Verbände, Gale stößt einen Schmerzenslaut aus.
    »Bringt sie raus«, sagt meine Mutter. Haymitch und Peeta tragen mich buchstäblich aus dem Zimmer, während ich meine Mutter übel beschimpfe. Sie drücken mich auf ein Bett in einem der Gästezimmer und halten mich fest, bis ich mich nicht mehr wehre.
    Während ich daliege und schluchze und die Tränen sich aus dem Schlitz quälen, der mein Auge ist, höre ich, wie Peeta Haymitch im Flüsterton von Präsident Snow und dem Aufstand in Distrikt 8 erzählt. »Sie will, dass wir alle fliehen«, sagt er, doch falls Haymitch dazu eine Meinung hat, behält er sie für sich.
    Nach einer Weile kommt meine Mutter herein und behandelt mein Gesicht. Dann hält sie meine Hand und streichelt meinen Arm, während Haymitch ihr erzählt, was mit Gale passiert ist.
    »Dann geht es also wieder los?«, sagt sie. »Wie damals?«
    »Sieht ganz so aus«, sagt er. »Wer hätte gedacht, dass wir dem alten Cray mal nachtrauern würden?«
    Cray wäre so oder so unbeliebt gewesen, weil er eine Uniform trug, aber außerdem wurde er im Distrikt für die Gewohnheit verabscheut, hungernde junge Frauen gegen Geld in sein Bett zu locken. In richtig schlechten Zeiten versammelten sich die Hungrigsten abends vor seiner Tür und wetteiferten um die Gelegenheit, ihren Körper für ein paar Münzen zu verkaufen und damit ihre Familien über Wasser zu halten. Wäre ich älter gewesen, als mein Vater starb, wäre ich vielleicht eine von ihnen geworden. Stattdessen lernte ich, wie man jagt.
    Ich weiß nicht genau, was meine Mutter meint, wenn sie sagt, dass es wieder losgeht, aber ich habe zu große Schmerzen und zu viel Wut im Bauch, um zu fragen. Doch ich habe verstanden, dass wieder schlechte Zeiten kommen könnten, denn als es an der Tür klingelt, springe ich sofort aus dem Bett. Wer kann das zu dieser späten Stunde sein? Es gibt nur eine Möglichkeit. Die Friedenswächter.
    »Sie kriegen ihn nicht«, sage ich.
    »Vielleicht sind sie ja hinter dir her«, sagt Haymitch.
    »Oder hinter dir«, erwidere ich.
    »Ist nicht mein Haus«, bemerkt Haymitch. »Aber ich geh trotzdem zur Tür.«
    »Nein, ich gehe schon«, sagt meine Mutter ruhig.
    Doch dann folgen wir alle ihr durch den Flur zu dem durchdringenden Klingeln an der Tür. Sie öffnet, aber da steht kein Trupp von Friedenswächtern, sondern eine einzelne, verschneite Gestalt. Madge. Sie reicht mir eine kleine feuchte Pappschachtel.
    »Die sind für deinen Freund«, sagt sie. Ich nehme den Deckel von der Schachtel ab und sehe sechs Ampullen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. »Sie gehören meiner Mutter. Sie hat gesagt, ich kann sie nehmen. Bitte gib sie ihm.« Sie läuft zurück in den

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