Gefährliche Liebe unter dem Hakenkreuz (Junge Liebe) (German Edition)
ging ruhig und gleichmäßig. Er muss todmüde sein, dachte er, schließlich ist er die ganze Strecke gefahren.
Vorsichtig drehte er sich herum und versuchte, das Gesicht neben sich in der Dunkelheit zu erkennen. Die kleine Lampe hatten sie sicherheitshalber gelöscht. Der nächste Blitz, der die Nacht erhellte, ließ ihn einen kurzen Blick auf das Antlitz des Schläfers werfen. Es wirkte entspannt. Dunkle Bartstoppeln zeichneten sich auf den Wangen und um den Mund ab. Instinktiv fuhr Richard sich mit der Hand durch das eigene Gesicht. Auch er hätte morgen früh eine Rasur vertragen können. Aber er war sich sicher, dass er aufgrund seiner blonden Haare ein besseres Bild abgeben würde als Heinrich. Er unterdrückte das Verlangen, die Wange seines Freundes zu streicheln, da er Angst hatte, ihn zu wecken. Leise erhob er sich und ging zum Scheunentor. Vor dem Gebäude erwartete ihn ein Naturschauspiel. Das Zentrum des Gewitters war ein gutes Stück entfernt. Er machte einige Schritte nach vorn und stellte sich in den Regen. Mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht dem Himmel zugewandt, ließ er das willkommene Nass an sich hinunterlaufen. Dann sah er in die Ferne. Blitze malten skurrile Bilder in den Nachthimmel und der Donner grollte dazu. Der Wind bewegte die Bäume und die Sträucher. Es kam Richard vor, als ob die Natur einen Tanz zum Dank für den Regen aufführte. Er ließ die Arme sinken und seinen Gedanken freien Lauf. „Hast du keine Angst, dass dich der Blitz erschlägt?“ Er spürte Heinrichs Arm, der sich um seine Schultern legte, und dessen Atem auf seiner Schläfe, als dieser ihm die Worte zuflüsterte. „Das Gewitter ist zu weit weg, als dass es mich erreichen könnte.“ Er lehnte den Hinterkopf an die Schulter. „Hab ich dich geweckt?“ „Ja und nein. Ich habe wohl im Unterbewusstsein gespürt, dass neben mir etwas fehlt. Worüber hast du nachgedacht, als ich dich gestört habe?“ Er legte die Wange an Richards Schläfe und beobachtete ebenfalls das Gewitter. „Ich habe mich gefragt, ob es nachts in England bei Gewitter auch so aussieht wie hier.“ Mittlerweile hatte Heinrich ihm alles im Detail erzählt, was er in Berlin erfahren hatte. Seitdem fühlte er sich wie ein Gummiball, der in einem Kasten von einer Seite auf die andere geschleudert wurde. Mal tendierte er zur Flucht, mal entschied er sich fürs Bleiben. „Das kommt darauf an, in welchem Teil des Landes man sich befindet. Ob im Norden, im Süden oder in Wales. Aber im Großen und Ganzen ist die Insel unserer Gegend ähnlich.“ „Kennst du dich gut aus dort drüben?“ „Es geht. Ich war ein paarmal als Junge da gewesen. Ich habe mich dort immer wohl gefühlt und ich könnte mir vorstellen, dass es dir ähnlich geht.“ „Aber, was soll ich dort machen?“ Richard fühlte die Angst wieder, die sich um seine Seele legte. „Du könntest studieren – du bist jung genug dazu – und somit deinen Berufswunsch in die Tat umsetzen.“ „Aber ich kann die Sprache nicht besonders gut.“ „Welche Fremdsprachen hattest du in der Schule?“ Heinrich hörte die Zweifel in der Stimme des Mannes, den er im Arm hielt. „Griechisch und Latein.“ „Dann hast du bestimmt mit dem Englischen kein Problem. Und“, er zögerte kurz. Es fiel ihm schwer es auszusprechen, „solange wir noch zusammen sind, kann ich dir dabei helfen, deinen Wortschatz zu erweitern.“ „Und - du kommst bestimmt nach?“ „Sobald ich kann. Versprochen!“ „Heinrich, ich habe Angst. Halt mich fest.“ Er drehte ihn zu sich um und drückte ihn an sich. Richards Herz schlug so schnell, dass er es ohne Probleme spüren konnte. Er zog ihn fester an sich. „Wir schaffen das.“ Mit diesen Worten versuchte er sich und ihm Mut zuzusprechen.
***
Lange fand Heinrich keinen Schlaf. Er hielt Richard im Arm und lauschte den Schlafgeräuschen seines Freundes. Jetzt schlug sein Herz ruhig und gleichmäßig.
Hätte ich es nicht zulassen dürfen? Wäre es dir besser ergangen, wenn du mich nicht getroffen hättest? Wenn du den üblichen Weg gegangen wärst? Oder musste es so sein, dass wir uns begegnen, damit ich dein Leben und das deiner Familie retten kann? Heinrich versuchte, die Gedanken abzustellen. Die Zweifel zu vertreiben, dass er abartig war und Richard mit dieser Seuche infiziert hatte. Aber es gelang ihm nicht. Er liebte diesen Jungen und er wusste, dass dieses Gefühl erwidert wurde. Aber er war sich immer noch unsicher, ob das der von Gott gewollte Weg war.
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