Gefaehrliche Maskerade einer Lady
sie nicht verstehen konnte. „Er hat dich entführt und gefesselt.“ Ali zog die Schultern hoch. „Ich habe ihn bestohlen. Er hätte mich den Männern des Paschas übergeben können, aber das hat er nicht getan.“
„Ja, aber“, Ayisha atmete tief durch.
„Er hat mich nicht einmal verprügelt. Und er lässt mich an seinem Tisch sitzen und gibt mir das gleiche Essen, das er isst. So etwas Gutes habe ich noch nicht bekommen. Probier doch mal, du wirst schon sehen.“
Der verlockende Dufte der Würstchen ließ ihr das Wasser im
Munde zusammenlaufen. Ayisha sah auf ihren Teller und dann hinüber zum Engländer, der offenbar in seinen Gedanken versunken war. Sie schnitt ein Stück Wurst ab und steckte es eilig in den Mund.
Ein wundersamer Geschmack zerging auf ihrer Zunge. Das Würstchen war unglaublich köstlich. Sie konnte nicht aufhören zu essen.
„Hab ich doch gesagt“, flüsterte Ali, während sie schweigend erst die eine und dann die zweite Wurst verspeiste. „Lammwürstchen.“ Sie aß auch die Rühreier und den Toast und trank den europäischen Milchkaffee. Himmlisch.
„Siehst du, sein Essen ist gut, und er ist auch gut“, erklärte Ali stolz, als sie aufgegessen hatte. „Auch wenn du mir nicht glaubst, er hat mir gestern Abend eine Geschichte erzählt.“
Sie tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. „Woher willst du wissen, was er gesagt hat. Du sprichst kein Englisch und er kein Arabisch.“
„Ich weiß es eben“, entgegnete Ali und reckte eigensinnig sein kleines spitzes Kinn. „Und ich mag ihn gern.“
Ayisha runzelte die Stirn. „Und das Bad gestern, was war damit?“ Ali sträubte sich für gewöhnlich gegen allzu häufigen Gebrauch von Wasser und Seife.
„Das war unglaublich. Ich habe in einer riesengroßen Schüssel mit heißem Wasser gebadet, das mir bis zu den Ohren ging. Und die Seife roch so gut, dass ich abbeißen wollte.“ Er verzog das Gesicht. „Aber sie hat nicht geschmeckt.“
„Und er hat dir nicht weh getan oder gedroht, dir weh zu tun?“ „Wer? Higgins? Nein. Er hat nur mit dem Finger auf mich und dann auf das Bad gezeigt Er hat eine ganz schön lange Nase. Und dann bin ich auch schon ins Wasser gestiegen.“ Ali strahlte stolz über seine Heldentat. „Dann hat er mir meine Kleider weggenommen und mir ein langes Hemd zum Schlafen gegeben. Und heute sind meine Sachen sauber. Siehst du?“
Ayisha verdrehte die Augen. Wenn Laila und sie Ali zwangen, sich in einen Eimer Wasser zu stellen, um ihn zu waschen, zappelte und schrie er jedes Mal. Und hier musste nur ein Mann mit einer langen Nase kommen und mit dem Finger auf ein Bad deuten, und der Bengel gehorchte.
„Und dir hat wirklich niemand weh getan?“
„Nein. Am Anfang habe ich mich gefürchtet, aber dann waren alle sehr gut zu mir.“ Er sah sie ängstlich an.
Ayisha blickte über den langen Tisch zu dem Engländer hinüber und erschrak. Er hatte sie offenbar die ganze Zeit über beobachtet.
Hastig schlug sie die Augen nieder, sah einen Moment später aber wieder auf. Der Fremde beobachtete sie noch immer. Wieso?
Klebte vielleicht etwas Rührei an ihrem Mundwinkel? Es juckte sie in den Fingern, es wegzuwischen, doch sie verschränkte die Hände stattdessen im Schoß. Es sollte sie nicht stören, wenn ihr ganzes Gesicht mit Ei verschmiert wäre. Sie wollte doch möglichst schmutzig aussehen, und Essensreste im Gesicht wirkten absolut abstoßend.
Es lag an der Art, wie der Engländer sie mit seinen klaren blauen Augen ansah. Es war ihr höchst unangenehm, denn sein Blick war beinahe zärtlich.
Ayisha spürte, wie ihre Wangen erröteten. Sie reckte ihr Kinn und erwiderte kühl seinen Blick.
Er lächelte amüsiert, faltete seine Serviette und erhob sich. „Da Sie mit dem Frühstück fertig sind, Miss Cleeve“, sagte er im Plauderton, „sollten wir vielleicht in den Salon wechseln, um über Ihre Zukunft zu sprechen.“ Er klingelte nach dem Personal.
Das köstliche Essen lag ihr plötzlich schwer im Magen. „Was ist mit Ali?“, fragte sie besorgt. „Ich bin hier, also lassen Sie ihn gehen.“
„Ali bleibt“, entgegnete der Engländer schroff.
„Aber Laila macht sich Sorgen um ihn. Er war die ganze Nacht fort.“
Er überlegte. „Nun gut.“ Er rief nach seinem Diener. „Higgins!“ Als dieser in der Tür erschien, nickt der Engländer ihm zu. „Bringen Sie den Jungen nach Hause. Nehmen Sie den Dolmetscher mit, und sagen Sie dieser Laila, dass Miss Ayisha in Sicherheit ist. Genügt
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