Gefaehrliche Maskerade einer Lady
können.“
„Sie wissen vieles nicht von mir.“ Er folgte ihrem Blick. Sein Pferd stand in einiger Entfernung und graste. „Ich habe den Rappen gemietet.“
Er näherte sich dem Hengst, der ein paar Schritte zurückwich und ihn argwöhnisch beäugte. „Verdammt, daran habe ich nicht gedacht. Meine Pferde kommen, wenn ich pfeife. Wir müssen dieses Tier hier einfangen.“
Es dauerte fast eine Stunde, bis sie den störrischen Gaul gefangen hatte. Ayisha gelang es schließlich, ihn mit einer Handvoll saftiger Blätter anzulocken. Mittlerweile hatte sie sich von dem Schock des brutalen Überfalls erholt.
Sie streichelte die samtige Schnauze des Pferdes, während sie es fütterte.
„Mögen Sie Pferde?“
Sie nickte. Rafe schwang sich in den Sattel, streckte ihr den Arm entgegen, zählte bis drei und zog sie dann mühelos hinter sich aufs Pferd.
Sie schlang die Arme um seine Taille, lehnte die Wange an seinen breiten Rücken und genoss den Geruch nach frischem Männerschweiß, Kölnisch Wasser und Pferd.
Sie fühlte sich seltsam benommen und beinahe unbeschwert. Das, wovor sie sich so lange gefürchtet hatte, war geschehen. Gadis Onkel wusste, wer sie war.
Ihr Versteckspiel war aufgeflogen. Sie konnte nicht länger in Kairo bleiben. Zu viele Menschen würden von ihrer Existenz erfahren und Jagd auf sie machen. Ihr blieb keine andere Wahl: Sie musste nach England.
Mit diesem schönen sanften, Furcht einflößenden Krieger, der ihr unheimlich war und dem sie dennoch nicht widerstehen konnte.
„Ich musste mich schon wieder waschen, und das überall!“, murrte Ali lautstark, als Rafe am nächsten Morgen vor Lailas Haus eintraf.
„Und was für ein Theater er dabei veranstaltet hat“, fügte Ayisha hinzu, nachdem sie Alis Worte übersetzt hatte. Sie war eifrig darum bemüht, so zu tun, als sei tags zuvor nichts Ungewöhnliches geschehen, doch in ihrem Blick lag eine scheue Verlegenheit, die ihn rührte.
Er musste sich zusammenreißen, damit er sie nicht abermals in seine Arme zog, um sich zu vergewissern, dass ihr nichts fehlte. In der Nacht war er mehrmals aus dem Schlaf hochgeschreckt, weil das Bild des hübschen Burschen ihn verfolgte, der mit einem Dolch auf Ayisha losgegangen war. Noch immer hörte er das Reißen des Stoffes, als die Klinge ihr weites Hemd aufgeschlitzte.
Nur den Stoff, gottlob nicht ihr Fleisch.
Er hätte den Burschen nur zu gerne den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen.
Ayisha blickte Rafe besorgt an. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Sie bluteten ja!“
„Nicht der Rede wert“, antwortete er knapp. „Es sind nur ein paar Kratzer.“
„Gut. Habe ich Ihnen eigentlich schon gedankt?“
„Ja, mehrmals sogar.“ Der schönste Dank war der Moment gewesen, als sie zitternd vor Angst in seinen Armen Trost und Geborgenheit gesucht hatte. Und später, als sie hinter ihm auf dem Pferd gesessen und die Arme um ihn geschlungen hatte.
„Gut“, murmelte sie. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, schluckte die Worte aber hinunter und wandte sich wieder dem Jungen zu.
Rafe beobachtete, wie fürsorglich sie sich um Ali kümmerte. Es schnürte ihm die Brust zu. Plötzlich wunderte es ihn nicht mehr, dass er in zwei Jahren auf keinen Bällen und keinen Gartenfesten eine Frau zum Heiraten gefunden hatte. Er hatte an den falschen Orten gesucht. Zu gerne würde er Ayisha in die Arme schließen, doch er wusste, dazu war es noch zu früh.
Ali war nicht der Einzige, der frisch gewaschen und ordentlich angezogen war. Ayisha trug zwar immer noch ihre Männerkleidung, doch sie hatte darauf verzichtet, ihr Gesicht mit Dreck zu beschmieren. Es war ihr stilles Eingeständnis, dass ihr Versteckspiel beendet war.
Ihr Gesicht schimmerte zart und hell. Es juckte ihn in den Fingern, ihre Wange zu streicheln und zu prüfen, ob sie sich wirklich so weich und seidig anfühlte, wie sie aussah.
Sie bemerkte seinen Blick, und ihre Wangen überflog ein rosiger Hauch. „Es ist nur wegen Ali“, sagte sie, als sei es nötig, sich zu rechtfertigen. „Wir wollen einen guten Eindruck hinterlassen. Seine Familie sagt doch viel über den Jungen aus.“
Rafe neigte verwundert den Kopf. Die Tochter eines englischen Baronets erklärte sich zur Familie eines verwaisten ägyptischen Betteljungen? Und sie sagte das auch noch mit so viel Würde und Stolz.
Sie war wirklich etwas Besonderes. Jedes andere Mädchen hätte ihren früheren Freunden bedenkenlos den Rücken gekehrt, wenn es darum ging, eine bessere Position
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