Gefaehrliche Maskerade einer Lady
im Leben einzunehmen. Ayisha war anders.
Diese verlotterte kleine Schönheit bewies mehr menschliche Größe und Noblesse als ein Dutzend Töchter adeliger Herkunft in England.
Dennoch würde sie es nicht leicht haben. Die englische Gesellschaft bestand aus einem Labyrinth feingesponnener Nuancen. Überall lauerten Fallstricke auf einen unwissenden Neuling, die nur darauf abzielten, jene zu überführen und auszuschließen, die nicht dazugehörten. Ihre adelige Herkunft würde ihr zwar ein Entree verschaffen, aber nicht zwangsläufig auch die notwendige Anerkennung.
Ayisha hatte so viele Jahre obdachlos auf der Straße verbracht. Während die höheren englischen Töchter Klavier spielten, sich mit Stickerei und Aquarellmalerei beschäftigten, hatte Ayisha Hunger und Not gespürt. Sie hatte stehlen, kämpfen und sich zu verstellen gelernt und erfahren, dass sie nur dann überleben konnte, wenn sie sich als Junge ausgab.
Nein, sie würde es nicht leicht haben, aber er würde sie begleiten und ihr zur Seite stehen. Sie war so mutig und willensstark, sie würde es schaffen.
Er sah das Bild wieder vor sich, wie sie diesen Banditen nur mit einem Messer in der Hand kampfbereit gegenüberstand. Er erinnerte sich an ihren verzweifelten Blick hin zum Fluss, wo es vor Krokodilen wimmelte. Sie war wild entschlossen gewesen zu springen oder zu kämpfen.
In seinem ganzen Soldatenleben hatte er keine größere Angst ausgestanden. Angst, er würde nicht rechtzeitig bei ihr sein.
Schließlich trat Laila aus dem Haus, verschleiert in einem langen wallenden Gewand.
Zu Rafes Verblüffung nahm sie seine Hand und küsste sie. „Ayisha hat mir gesagt, was Sie für sie getan haben“, erklärte sie mit feuchten Augen. „Alles, was ich für Sie tun kann, Engländer, tue ich.“
„Das war nicht der Rede wert. Jeder andere hätte es auch getan“, entgegnete er schroff.
Sie lächelte und tätschelte seine Hand. „Nicht jeder andere, nur ein Krieger.“
Sie eilten durch das Gewirr der Gassen zu Baxters Haus.
„Wie ich sehe, kommen Sie gleich mit einer ganzen Delegation“, begrüßte Johnny Baxter seinen Landsmann wenig erfreut. Rafe übernahm die Vorstellung und nannte Ayisha Miss Alicia Cleeve.
Baxters Miene hellte sich auf. „Mr Ramsey hat mir berichtet, dass er Sie gefunden hat. Ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Cleeve.“
„Bitte nennen Sie mich Ayisha“, sagte sie mit einem Seitenblick zu Rafe. „Das ist mir lieber.“
Johnny Baxter deutete eine Verneigung an. „Miss Ayisha. Und das ist also Ali.“
Ali machte einen höflichen Diener und schaute sich neugierig im Zimmer um.
„Und das muss Laila sein.“ Johnny Baxter musterte Laila forschend.
Laila flüsterte Ayisha etwas auf Arabisch zu, und bevor Ayisha etwas erwidern konnte, antwortete Baxter ihr in der Landessprache.
Sie staunte verlegen und erwiderte etwas, worauf Baxter laut auflachte.
„Sie ist verblüfft, dass ein Ausländer wie ich so gut Arabisch spricht“, sagte er an Rafe gerichtet. „Zuvor hatte sie Miss Cleeve zugeflüstert, dass meine blauen Augen besser zu einem Mädchen passen würden, ich aber trotzdem ein stattlicher Mann sei.“
Johnny Baxter zwinkerte Ayisha aufmunternd zu. „Mir persönlich gefallen Frauen mit braunen Augen allerdings besser. Und Sie können Laila ausrichten, dass sie die schönsten Augen hat, die ich seit Langem gesehen habe.“ Das wenige, was von Lailas verschleiertem Gesicht zu sehen war, überzog sich deutlich rosig.
„Sie muss mir überhaupt nichts sagen“, entgegnete Laila auf Englisch und nahm würdevoll auf einem Sitzkissen in der Ecke Platz.
Johnny Baxter beobachtete sie amüsiert, dann wies er den Diener an, Kaffee zu servieren, während er Ali in sein angrenzendes Büro schob. Es war nur durch einen dicken gewebten Vorhang abgetrennt, durch den die Stimmen zwar gedämpft, aber deutlich zu hören waren.
Der Diener brachte den Kaffee sowie eine Platte kleiner Kuchen und schenkte ein.
Rafe beäugte die Tasse und beschloss, keinen Schluck zu riskieren. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Laila den Kaffee probierte, die Tasse aber eilig abstellte und Rafe einen fragenden Blick zuwarf.
„Diese Diener brauen den schlechtesten Kaffee, den ich je getrunken habe“, sagte er leise.
Laila beugte sich vor und beäugte die Kuchenplatte. „Die Kuchen sind alt. Sehen Sie? Dieses Stück hier ist sogar verschimmelt.“ Sie blickte durch den halb vorgezogenen Vorhang ins Büro, wo Johnny
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