Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Er war in eine Frau in L.A. verliebt
.
Woher weiß Jonathon das?
Er ist Emily nicht besonders wichtig
, hatte Benicio über den Mann gesagt, den Emily geheiratet hatte.
Zumindest schreibt sie das in ihren E-Mails
.
27
Willow kommt mit dem Laptop.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, frage ich. Ich habe die Waffe in der Schublade des Nachttischs versteckt, bevor ich sie hereingebeten habe.
»Nada.«
Ich bin immer noch völlig aufgewühlt davon, Seths Stimme gehört zu haben, benommen, weil ich Benicios Gesicht gesehen habe.
»Allerdings habe ich eine komische Geschichte in der Zeitung gelesen«, sagt Willow. »Über einen Mann, den sie vor zwei Tagen im Dschungel gefunden haben.«
Mein Herz droht mir aus der Brust zu springen. »Was für einen Mann?«
»Angeblich war er im Krankenhaus. Zumindest zunächst.«
Also keine Leiche. Es ist nicht Roberto. Er wurde ins Krankenhaus eingeliefert. »Wie ist sein Name? Was meinen Sie mit
zunächst
?«
»Offensichtlich ist dem Typ die Flucht gelungen. Er ist aus einem Fenster gesprungen.«
Ich lasse mich auf die Bettkante sinken. Woraus besteht dieser Mann? Titan? »Wissen Sie seinen Namen?«
»Der wurde zurückgehalten, wohl um seine Familie zu schützen oder sie zuerst zu informieren, irgendwas in der Art.«
Ich beiße mir auf die Unterlippe.
»Es ist Ihr Freund Benicio, oder? Deswegen hatte der Polizist angerufen. Weil er geflohen ist.«
Ich atme einmal tief durch. »Es gibt so vieles, was ich Ihnen noch nicht erzählt habe.«
»Also?« Sie drückt demonstrativ mit den Fingern ihre Ohrmuscheln nach vorn.
Und ich tue es. Ich erzähle ihr alles. Von Seth vor vierzehn Jahren bis zu Jonathon und Benicio und der Entführung und dem Betrug, den Jonathon mir anzuhängen versucht, und dem armen Oliver im Zug, und dass das alles irgendetwas mit der Schweiz zu tun hat, und dann wieder von Benicio und dem Film und der Frau in L.A., und dass ich jetzt hier sitze und nicht die geringste Ahnung habe, was ich als nächstes tun soll.
Willow bleibt der Mund offen stehen. »Tut mir echt leid, aber so etwas Aufregendes habe ich in diesem Job noch nie erlebt. In keinem Job.«
Wir müssen beide lachen und die Anspannung, der Schock, eine solche Geschichte zu hören und sie zu erzählen, verliert etwas an Schrecken.
»Ich habe mit dem Gedanken gespielt, das Haus zu verkaufen«, sagt Willow. »Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Verkaufen Sie es bitte nicht, bevor ich abgereist bin. Sie müssen mir helfen, hier zu verschwinden.«
Willow lächelt. »Was stellen Sie sich denn so vor?«
»Was stand in der Zeitung, wann er geflohen ist?«
»Gestern, glaube ich.«
»Er kann die ganze Nacht gelaufen sein. Er könnte hier jede Sekunde auftauchen. Gehen Sie jetzt Mittagessen?«
»Normalerweise nehme ich mir von unterwegs etwas mit und mache dann eine kleine Siesta wie alle anderen hier.«
»Haben Sie ein Schild an Ihrer Tür, wann Sie zurück sind?«
»Eine kleine Uhr, die auf zwei steht.«
»Vielen Dank hierfür.« Ich klopfe auf den Laptop und bemerke, dass Willow die engste Freundin ist, die ich seit Jahren gehabt habe.
»Wenn ich zurück bin, komme ich vorbei und hole ihn wieder ab.«
Nachdem sie gegangen ist, nehme ich den Laptop mit hinaus auf den Balkon und atme tief die feuchte, salzige Luft ein.
Wie kann ein einzelner Mensch nur so viele verschiedene Gefühle auf einmal haben? Zweifel. Dankbarkeit. Wut. Und immer wieder Sorge und Liebe.
Ich nehme den Verband ab und mache ein Foto von meinem Bein. Dann noch ein paar von meinen mit Prellungen übersäten und von Insekten zerstochenen Armen und schicke sie weg. Kurz denke ich darüber nach, auch ein Bild von meinem Gesicht zu machen, aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass Oliver den Schmerz und die Angst in meinen Augen sieht. Das erscheint mir viel schlimmer als das grausige Loch in meinem Bein.
In der Ferne fährt ein Kreuzfahrtschiff vorbei. Wie ein Spielzeug am Horizont, aber ich weiß, dass es die Größe einer ganzen Stadt hat und voller Menschen ist, die vielleicht gerade denUrlaub ihres Lebens machen. Was würde ich darum geben, jetzt in der Sonne ausspannen zu können, mich in einen Roman von Joella Lundstrum zu versenken, den Luxus ihrer wundervollen Formulierungen zu genießen und mich in der Geschichte zu verlieren, die sich irgendwann bis ins letzte Detail vollkommen aufklären wird.
Noch einmal geht mir mein Gespräch mit Seth durch den Kopf. Er hatte zuerst einen Moment geschwiegen und dann
Weitere Kostenlose Bücher