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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Braun
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auch nicht zu verachten ist. Manches hätte ich gerne anders gemacht. Mehr gelernt, das Geigespielen früher entdeckt, herausgefunden, wofür mein Herz wirklich schlägt. Aber es ist spät und ich überlasse Dir nun das Heft. Du musst das weiterführen, was deine Großmutter und ich begonnen haben. Folge Deiner Liebe zum Lesen, zum geschriebenen Wort
.
    Ich hob meinen Blick von der Seite. Wie konnte es sein, dass ich von der Liebe meiner Mutter zu Büchern, zum geschriebenen Wort nie etwas gewusst hatte? Stammte daher meine eigene?
    Die Anteile, die ich Dir vermache, sind in all den Jahren gestiegen und gefallen, haben aber insgesamt infolge unserer Familiengeschichteeinen eher geringen Wert. Trotzdem erlege ich Dir im Angedenken an meine Mutter auf, dass Du weder Deinen Mann noch irgendjemand anders in ihren Besitz kommen lässt. Solltest du irgendwann einmal eine höhere Summe vom Konto abheben wollen, tue es so, wie ich es getan habe und wie meine Mutter es gewollt hat, und zeige Dich hoch erhobenen Hauptes in der Bank, damit es jeder sieht. Du kannst gerne erwähnen, dass Du die Enkelin der Chemikerin Annaliese Hagen, Gründerin von Hagen Pharmaceuticals bist. Vielleicht erinnert man sich nicht an sie, aber ich glaube daran, dass die Erwähnung ihres Namens in diesen Hallen wie ein Talisman wirkt und uns allen ein wenig Glück beschert
.
     
    Ich liebe Dich bis in alle Ewigkeit, meine Tochter.
Sonja Hagen-Williams
    Ich finde mich auf dem Balkon wieder, ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin. Den Brief halte ich nicht mehr in den Händen. Es fühlt sich an, als sei jemand vorbeigekommen und habe mir gesagt, dass mein Haar nicht dunkel und lockig ist. Ich habe kein Grübchen. Mein Name ist nicht Celia. Oliver ist nicht mein Sohn. Ich bin nicht, wer ich glaube zu sein. Ich bin es nie gewesen. Ich stamme von völlig anderen Leuten ab, von Frauen mit Prinzipien, Frauen mit Rückgrat und Talent. Was bin ich denn schon? Wer bin ich? Wer war meine eigene Mutter?
    Ich blicke hinaus übers Wasser und meine Hände krampfen sich um das Balkongeländer. Ist es ein Zufall, dass ich mich so sehr für die deutsche Sprache interessiere? Ich frage mich, ob meine Mutter, als ich ein Kind war, vielleicht Deutsch mit mirgesprochen hat. Hat sie mir all die deutschen Märchen vorgelesen?
    Ich bin einmal kurz in der Schweiz gewesen, als ich mit meiner Austauschfamilie nach Italien fuhr. Habe ich damals irgendetwas gespürt? Ich kann mich nicht erinnern. Es gibt so viel, worum ich mich nicht gekümmert habe.
    * * *
    Willow kommt mit Tellern voller Hühnchen und Bohnen und Tortillas.
    »Sie sind sehr früh dran«, sage ich und schließe die Tür hinter ihr. »Mein Gott, das riecht umwerfend.«
    »Ich habe mich entschlossen, früh zu schließen.«
    »Das brauchten Sie aber nicht für mich zu tun.«
    »Ich weiß. Ich hab es für mich getan. Die Neugier bringt mich einfach um. Was haben Sie herausgefunden?«
    Ich gebe ihr die Briefe. Was ich fühle, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Wie kommt man mit dem Widerspruch klar, eine völlig neue Vergangenheit zu haben?
    Ich setze mich und stopfe mir das Essen in den Mund. Bei jedem Bissen seufze ich unwillkürlich.
    »Oh, mein Gott«, sagt Willow bei jedem zweiten Absatz, bis sie fertig ist. »Und Sie haben nichts davon gewusst?«
    »Nicht das Geringste.«
    »Ich liebe diese Frauen.«
    »Trotz allem?«
    »Und wo ist der nächste?«
    »Welcher nächste?«
    »Der von Ihrer Mutter an Sie?«
    Darauf war ich noch gar nicht gekommen. »Ich habe keinen gesehen.« Ich stelle mein leeres Tablett zur Seite und gebe Willow den halben Stapel der Papiere.
    Eine Minute später reicht Willow mir mehrere Blätter. Sie sind mit der Schreibmaschine geschrieben, leicht zu übersehen, sie ähneln zu sehr allen anderen Dokumenten. Mein Name oben auf der Seite ist ihr ins Auge gefallen.
    Ich lese ihn laut:
    Meine süße, geliebte Celia,
ich sitze hier vor diesem Blatt Papier, so wie meine Mutter einmal vor ihrem gesessen hat und ihre Mutter vor so vielen, vielen Jahren vor ihrem. Irgendwie scheint mir das alles nicht real. Meine Zeit ist so schnell vorbeigegangen. Ich bin noch nicht bereit. Aber ich frage mich, ob man es überhaupt jemals ist
.
    Gestern habe ich den Schock meines Lebens bekommen. Man erwartet nicht, dass ich noch mehr als ein paar Monate zu leben habe. Ich schreibe dies hier viel zu spät und hätte überhaupt zu spät damit dran sein können, wenn ich noch länger gewartet

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