Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
seinen Kollegen im Salon. Ich saugte alles auf, was ich dort zu hören bekam. Und ich verzieh ihm, was er getan hatte. Ich verstand, dass er dem Druck derselben Gesellschaft ausgesetzt war wie ich
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Als Du auf die Welt kamst, florierte Hagen Pharmaceuticals. Wir lebten besser als jeder andere in unserem Stadtteil. Außer meinen Schwestern und Brüdern hatte ich nur ein paar wenige echte Freunde, doch mein Leben hätte, seit Du es bereichertest, nicht besser sein können. Ich war fasziniert von Deiner unstillbaren Neugier. Du hast mich gelehrt, was Intelligenz wirklich bedeutet. Du warst für mich der wissenschaftliche Beweis dafür, dass wir alle mit einer starken, gesunden intellektuellen Neugier geboren werden. Männer, Frauen, wo liegt da schon der Unterschied? Deine Fragen, Deine Antworten unterschieden sich nicht von jenen Deiner männlichen Cousins, obgleich ich zugeben muss, dass Deine in vielen Fällen weitaus komplexer waren als ihre
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Fast zehn Jahre vergingen und es schien einfach unmöglich, dass irgendetwas schiefgehen könnte. Die Einwohner der Stadt respektierten mich inzwischen, da unsere Firma so vielen ihrer Familien Arbeit gab. Sozusagen alles, was sie besaßen, hing mit uns zusammen
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Aber natürlich hält nichts ewig. Plötzlich begannen Menschen auf mysteriöse Weise zu erkranken, und nach einiger Zeit entdeckte man, dass unser Erkältungsmittel Arsen enthielt. Wie es dort hineingekommen war, habe ich nie herausgefunden. Auf jeden Fall war es kein Bestandteil der ursprünglichen Rezeptur gewesen, die Dein Vater und ich entwickelt hatten. Steckte er dahinter? Oder war es ein Irrtum? Doch tief in meinem Herzen wusste ich, dass er es beigemischt hatte. Wenn Menschen Arsen in kleinsten Mengen zu sich nehmen, fühlen sie sich sehr gut, sehr lebendig, und er wusste, sie würden ohne Zweifel wiederkommen, um mehr von dem Mittel zu kaufen. Erst wenn sich Arsen im Laufe der Zeit im Körper an-reichert, wirkt es tödlich. Er wusste das. Ich wusste das. Schließlich waren wir Chemiker. Und er hatte es trotzdem verkauft
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Wir verloren fast alles. Die Firma wäre bankrottgegangen, hätten wir nicht auch Gesichtscreme produziert, die bei Frauen sehr beliebt war. Trotzdem spuckten mich die Menschen in der Stadt an. Ich hoffe, Du erinnerst Dich nicht mehr daran, denn sie ersparten es mir nicht einmal, wenn ich mit Dir an der Hand über die Straße ging
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Ich spüre immer noch die finsteren Blicke der Kassierer in der Bank, wenn ich meine monatliche Zuteilung abhob. Sie ließen mich unter dem Vorwand, es gebe ein Problem mit dem Konto, gern stundenlang warten. Ein Problem, das sich allerdings immer in Luft aufzulösen schien, sobald ich lange genug gewartet hatte. Doch ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen. Ich war fest entschlossen, sie nicht gewinnen lassen
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Von Deinem Vater dagegen trennte ich mich. Aus vielerlei Gründen war unsere Ehe nicht mehr zu retten. Trotzdem weigerte ich mich, meine Anteile an der Firma, die ich in gutem Glauben mit aufgebaut hatte, abzustoßen. Für den Rest meines Lebens blieben diese Anteile so gut wie wertlos, aber vom Grundsatz her sind sie unbezahlbar. Verstehst Du, was ich meine?
Zu guter Letzt war ich also Chemikerin nicht nur im Herzen, sondern es war auch mein Beruf geworden. In der Stille meines Zimmers entwickelte ich Rezepturen, die nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Aber ich habe trotzdem mit ihnen experimentiert. Ich war nun einmal, wer ich war, völlig unabhängig davon, wozu andere mich machen wollten
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In diesem Sinne hinterlasse ich Dir meine Anteile unter der Bedingung, dass Dein Mann niemals Zugriff darauf bekommt. Und sollten sie irgendwann einmal von Wert sein, sodass Du Dir etwas auszahlen lassen kannst, musst Du dies persönlich in derBank tun, obwohl Du auf der anderen Seite der Welt lebst, wo ich Dich selber mit hingenommen habe. Diese Unbequemlichkeit ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was ich durchgemacht habe, um einen solchen Fonds zu ermöglichen. Es ist wichtig für all die Söhne und Töchter jener, die mich angespornt haben, und auch für die Enkel der Männer, die mich überfielen, zu sehen, dass Du mit hoch erhobenem Haupt hereinkommst, denn sie tragen diese alte Last auf ihren Schultern, derer sie sich nur schämen können. Sie werden Dir, untertänig wie Diener, eine Summeübergeben, die hoffentlich höher sein wird als alles, was sie in ihrem Leben je gesehen haben. Ein Vermögen, das die Folge von harter Arbeit und nicht
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