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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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jedenfalls nicht mit absoluter Sicherheit. Aber wenn du nach meiner professionellen Einschätzung fragst, würde ich sagen, die Liebe wurde auch physisch vollzogen. Aber das ist nur eine Vermutung.«
    »Reden Patienten anfangs eher über die Vergangenheit oder über die Gegenwart?«
    »Über die Gegenwart. Die Vergangenheit gerät natürlich immer stärker hinein im Laufe der Zeit. Ich hatte so eine Vorahnung – aber hüte dich, deren Bedeutung zu überschätzen –, daß es etwas in der Gegenwart gab, das sie nicht erwähnte, irgend etwas, das mit der Liebesgeschichte zusammenhing, wenn auch vielleicht nur im Sinne ein und derselben Schuld. Oh, ich bewundere dich besonders, wenn du dieses Glänzen in den Augen hast – wie ein Falke, bevor er sich hinabstürzt. Glaubst du, sie war die Schlüsselfigur in einem Drogenring?«
    »Lachen kannst du später, ich habe noch eine Frage. Du erwähntest gestern abend, sie sei wütend geworden, die Übertragung hätte also begonnen. Wie ist das mit der Übertragung, wenn sie am Ziel ist, wie Molly Bloom sagen würde?«
    »Ich verabscheue vereinfachte Erklärungen in der Psychiatrie. Laß es mich so ausdrücken: Die Wut, die sich in einer bestimmten Situation verbarg, wird freigesetzt und auf den Analytiker gerichtet. Er wird zum Objekt dieser Gefühle.«
    »Merkst du es nicht, Emanuel? Das paßt. Setze nur zwei Dinge zusammen, die du mir zufällig erzählt hast. Erstens, daß sie wahrscheinlich etwas aus der Gegenwart, etwas, das vielleicht mit ihrer Vergangenheit zusammenhing, vor dir verbarg. Zweitens hatte die Beziehung zu dir emotionalen Charakter angenommen. Schlußfolgerung: Sie könnte dir erzählt oder deinem geschulten, sensiblen Ohr etwas enthüllt haben, das jemand auf jeden Fall geheimhalten wollte. Vielleicht gab es jemanden, mit dem sie über ihre Analyse geredet hat – ganz beiläufig wie sie meinte, halt so, wie Leute über ihre Analyse reden – ich weiß das, ich habe sie gehört –, und wer immer dieser Mensch war, er wußte, daß sie sterben mußte. Es war nicht weiter schwer, ihren Tagesablauf herauszubekommen, und so kam er, brachte sie um und hinterließ dir ihre Leiche. Quod erat demonstrandum. «
    »Kate, Kate, eine derart drastisch übertriebene Simplifizierung habe ich noch nie erlebt.«
    »Unsinn, Emanuel. Was dir fehlt, was allen Psychiatern fehlt, falls du mir verzeihst, daß ich das sage, ist der feste Zugriff auf das Naheliegende. Gut, ich will dich damit nicht aufhalten. Aber versprich mir wenigstens, daß du mir jede Frage beantwortest, die ich dir stelle, so idiotisch sie dir auch erscheinen mag.«
    »Ich verspreche dir, mit dir zu kooperieren bei deinem tapferen Versuch, mich vor einer Katastrophe zu bewahren. Aber du weißt, meine Liebe, um beim Offensichtlichen zu bleiben, die Polizei hat hier einen recht eindeutigen Fall vor sich.«
    »Die kennt dich nicht, und das ist der Vorteil, den ich ihr gegenüber habe. Sie wissen nicht, was für ein Mensch du bist.«
    »Oder was für ein Mensch Nicola ist?«
    »Nein«, sagte Kate, »auch das nicht. Es wird alles gutgehen, du wirst sehen.«
    Dennoch fühlte sie sich, als sie entschlußlos draußen im Flur stand, wie ein Ritter, der aufgebrochen war, den Drachen zu töten, aber vergessen hatte zu fragen, in welchem Teil der Welt denn der Drache zu finden sei. Sich zum Handeln zu entschließen, war das eine, aber was sollte sie denn nun unternehmen? Wie es ihre Art war, zog sie Notizbuch und Stift heraus und fing an, eine Liste aufzustellen: Janet Harrisons Zimmer ansehen und mit den Leuten reden, die sie vom Wohnheim her kannten; über Zehn- und Zwölf-Uhr-Patienten erkundigen; herausfinden, wer Mensch auf Foto in Janet Harrisons Besitz ist (Listen hatten immer eine verheerende Auswirkung auf Kates Syntax).
    »Es tut mir leid, wenn ich störe. Ist Mrs. Bauer zu Hause?« Kate, die ihre Handtasche als Unterlage für ihr Notizbuch benutzt hatte, ließ Block, Stift und Handtasche fallen. Der Mann bückte sich, um ihr beim Aufheben zu helfen, und als sie sich beide wieder aufrichteten, wurde sich Kate der ausgeprägt männlichen Schönheit ihres Gegenübers bewußt; jede Frau reagiert automatisch darauf, wie flüchtig auch immer. Diese Schönheit reizte Kate nicht direkt, aber irgendwie kam sie sich in seiner Gegenwart mädchenhafter vor. Sie erinnerte sich daran, einmal auf einer Dinner-Party einem hübschen, jungen, bescheidenen Schweden begegnet zu sein. Er hatte perfekte Manieren; kein Hauch von

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