Gefaehrliche Schatten
das Kinn. «Er war schon aufgestanden, als der Wecker klingelte.»
Es war kurz vor 8:30 Uhr. Noahs und Megans Eltern schliefen noch, und Ella, Megan und Richie hatten sich angezogen und waren so gut wie fertig für ihr Pendlertraining.
Ella ging nach oben. Noahs Bett war leer, ebenso wie das Badezimmer. Sie ging zurück in die Küche, wo Richie sich gerade einen neuen Löffel voller Cornflakes in den Mund schob.
«Und du hast ihn heute Morgen noch gar nicht gesehen?»
«Nö», bemühte sich Richie mit vollem Mund zu sagen.
«Findest du das nicht ein bisschen merkwürdig?»
Richie blickte zur Seite und dachte nach. Dann sah er wieder Ella an. «Bis eben nicht.» Mit dem Handrücken wischte er sich die Milch vom Kinn. «Ich dachte, vielleicht wäre er … im Badezimmer oder so.»
«Eine halbe Stunde lang?»
Richie zuckte die Schultern.
Megan kam kopfschüttelnd in die Küche. Sie hatte im Keller nach ihrem Bruder gesucht.
«Hat jemand mal im Baumhaus nachgesehen?», fragte Richie. «Ich wette, er ist da draußen.»
«Ich schau mal nach», sagte Megan und eilte aus der Hintertür.
Während Megan durch den Garten lief, sah Ella Richie mit schmalen Augen an. «Eine halbe Stunde lang …?»
Richie zuckte noch einmal die Schultern. Dann hielt er seiner Freundin die Cornflakespackung hin. «Hunger?», fragte er.
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28. Kapitel
Die Pfadfinder erspähen eine Pfote
K urz bevor der Zoo um 8:30 Uhr öffnete, stellten sich die Pfadfinderkinder aus Trupp 112 in einer Schlange vor dem Eingang auf. Sie rieben sich die Hände und stampften mit den Füßen, um warm zu bleiben. Die Truppe bestand aus fünf Jungen und ihrem Rover Mr Davis.
Als die Tore geöffnet wurden, schob sich die Gruppe durch das Drehkreuz und marschierte in Richtung Polarstadt. In wenigen Minuten hatten sie sie erreicht, und alle sechs steuerten durch das Gehege, das an den Nordpol erinnern sollte.
Am Eisbärenpool blieben sie stehen. Künstliche Eisbrocken und Felsen schwammen verstreut im Wasser. In der Mitte des Geheges befand sich eine Felsformation von der Größe eines Schulbusses. Nur einen Meter davor lag eine Reihe von viereckigen Steinen, die mit künstlichem Schnee und Eis bedeckt waren. Davor breitete sich das kurvige Becken aus. Zwischen der Felsformation und der Steinreihe lief ein Weg, auf dem die Eisbären Blizzard und Frosty gern hin und her wanderten.
Die Attraktion des Eisbärengeheges war ein gläserner Unterwassertunnel, der durch das gesamte Becken verlief. Die beiden Enden des Tunnels führten in zwei Räume mit Glaswänden, in die die Besucher über eine Treppe gelangen konnten.
Die Truppe betrat einen Weg, der sie um das Gehege führte. Einer der Jungen stellte sich auf die unterste Stange eines niedrigen Metallzaunes und spähte über die künstliche Eislandschaft. «Hey! Wo sind die Bären?», rief er.
Die anderen Kinder stellten sich neben ihn und reckten die Hälse, um über die Felsen hinwegzusehen.
«Keine Ahnung», sagte ein Junge mit schiefen Zähnen und einer Zahnspange.
«Ich sehe keine», meinte ein anderer Junge mit Brille.
«Seht mal!», rief einer mit Sommersprossen. «Da hinten, hinter den Felsen da. Eine Pfote! Seht ihr sie?»
«Nee.»
Wieder reckten die Jungen die Hälse in alle Richtungen, um besser sehen zu können.
Und auch wenn der sommersprossige Junge tatsächlich einen der Eisbären gesehen hatte, konnte er doch nicht erkennen, was das Tier tat. Der Eisbär hatte soeben Noah aus dem Wasser gezogen und leckte ihm über das Gesicht, verweifelt bemüht, ihn aufzuwecken.
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29. Kapitel
Noah wird entdeckt
N oah schlug die Augen auf und blinzelte in eine unscharfe Welt, als wäre Nebel in sein Schlafzimmer gezogen. Aus irgendeinem Grund wischte seine Mutter ihm immer wieder mit einem nassen Waschlappen über das Gesicht. Als er sich grunzend beschwerte und zur Seite rollte, hörte sie immer noch nicht damit auf. Verärgert versuchte er, Genaueres zu erkennen. Doch wer sich da über ihn beugte, war nicht seine Mutter, sondern ein Eisbär. Und was er für einen Waschlappen gehalten hatte, war seine Zunge. Und Noah lag nicht in seinem Bett – sondern auf dem harten Beton des Eisbärengeheges.
Ruckartig setzte er sich auf und spuckte Wasser. Eine Welle des Schmerzes schoss durch seinen Kopf, und die Welt schwankte und drehte sich. Er hielt sich die Schläfen, bis der Schmerz abklang und sich der Boden stabilisierte.
Dann starrte er zum
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